(Bildungs-)Urlaub: abgeschlossen.

Zwei Tage in Falun, und ich bin immer noch nicht wieder ganz zu Hause. Der >>> Erasmus-Intensivsommerkurs in Krosno/Polen hatte es wirklich in sich. Und eigentlich war alles dabei. Überstrapazierte Referenten aus Deutschland, die in Sachen Ausländer-Politik der EU von rights and obligations der Ausländer in Deutschland schwärmten und damit arg das nichtdeutsche Publikum angingen, eine Referentin mit Hund im Vorlesungssaal (der Sinn seiner Anwesenheit ist mir noch nicht ganz aufgegangen, zumal mir angetragen wurde, der Hund spräche eine besondere Sprache), in Bezug auf das Abendessen putschende Studenten, kollektiver Schock über den Bierpreis am Flughafen (1,50 €), Exkursionen in Kirchen und nach Krakau, Freudentänze und Tränen.

Ich selber habe die letzten zwei Wochen eigentlich noch nicht zur Gänze reflektiert und abgearbeitet. Die Eindrücke waren gewaltig, allein die Zusammensetzung der Lehrer und Studenten war spannend und wundervoll zugleich. Denn konnte man auf der einen Seite konzentriert zusammen arbeiten, am Abend hingegen in der Diskothek in Krosno den Tag genüßlich, ich muß es so formulieren, abfeiern und zur Sau machen. Ich denke, dies gehört irgendwie bei Studenten dazu. Auch wenn, zugegeben, der nächste Tag meist ätzend war … man kann so eine Bankreihe im Vorlesungssaal ganz hinten gut für sich alleine nutzen, ohne daß man negativ auffällt, meine ich zumindest.

Was mir persönlich leicht zugesetzt hat, war der Umstand, daß ich das erste Mal im meinem Leben nicht ein einziges Wort der fremden Sprache sprechen konnte und damit eine gewisse Abhängigkeit zu meinen polnischen Kollegen und Freunden entstand. Bisher konnte ich mich immer in der Landessprache verständigen, selbst wenn es nur ein obskures Radebrechen war. Die polnische Sprache hingegen hat mich überfordert, es wurden vier Kurstage für Polnisch angeboten, aber die Fülle an Konsonanten hintereinander setzte meiner Zunge einfach zu sehr zu. Das war wirklich ein seltsames Gefühl, nicht zu wissen, wo sprachlich oben und unten ist. Dennoch, mit Händen und Füßen war hier und da eine Kommunikation möglich, auch wenn ich zumeist nur bedröppelt in die Welt gucken konnte.

Tief allerdings sitzen, und das hat mir auch leicht zugesetzt, immer noch die Wunden des Zweiten Weltkrieges in Polen. Ich will jetzt nicht darüber diskutieren, was die Nazis den Polen angetan haben, dies steht unumstößlich fest. Allerdings ist mir aufgefallen, daß man bei einer Tour, die wir in der Nähe von Krosno machten, immer von Germany und den Germans sprach, in Krakau hingegen von den Nazis. Man fühlt sich, hört man das Wort Germans 30 Mal in einer Stunde im Zusammenhang mit Judenverfolgung und Massenmord, wieder unwohl und steht im Schatten der Kollektivschuld. Meinerseits war man dabei immer irritiert, habe ich doch absolut keine Verbindung zum Zweiten Weltkrieg, zumindest wenn ich auf die Lebenden in meiner Familie schaue. Und dieser Umstand ist nicht nur mir aufgefallen; diese Wirkung des Wortes Germans. Aber das sind einfach nur Gefühle, die entstanden sind. Objektiv und im Lichte dessen, daß wir Überlebende des Zweiten Weltkrieges getroffen haben, die durch die Hölle gegangen sind, ist die Reaktion auf Deutschland und die Germans verständlich.

Besonders erwähnenswert ist noch die Tatsache, daß ich zum Singen, öffentlich natürlich, „gezwungen“ wurde, auf dem Marktplatz von Krosno. Die Europahymne Freude, schöner Götterfunken … wurde von der deutschen Gruppe ausgewählt, sollte doch jede Nationalität einen kulturellen Beitrag leisten. Ein Standbild dessen gibt es >>> hier. Und bevor ich nun diesen Eintrag mit ein paar visuellen Eindrücken meinerseits schließe, sei noch auf diese >>> Seite hingewiesen, auf welcher weitere Bilder den Kurs in Krosno dokumentieren.

PS. Ich muß an dieser Stelle meinem Zimmerkollegen Richard danken, der über das Maß des Normalen hinaus wahnsinnig viel Geduld mit mir hatte, war er doch nicht ganz so feierwütig wie meine Person, er hat meine nächtlichen Spätankünfte stoisch mit Leichtigkeit hingenommen. Dziękuję!


2010/07/18 * Approach/Landing EPKK/KRK/Kraków-Balice, rwy 25R * Air Berlin 8900, B737-75B, reg. D-AGES (Germania wet lease) * Arriving from EDDT/TXL/Berlin Tegel.

Juli 2010 - Denkmal Zweiter Weltkrieg nahe Dukla/Polen.
Juli 2010 – Denkmal Zweiter Weltkrieg nahe Dukla/Polen.

Juli 2010 - Denkmal Zweiter Weltkrieg nahe Dukla/Polen.
Juli 2010 – Denkmal Zweiter Weltkrieg nahe Dukla/Polen.

2010 Juli - verlassene Kirche der Lemken in Zawadka Rymanowska bei Krosno/Polen.
2010 Juli – verlassene Kirche der Lemken in Zawadka Rymanowska bei Krosno/Polen.

2010 Juli - verlassene Kirche der Lemken in Zawadka Rymanowska bei Krosno/Polen.
2010 Juli – verlassene Kirche der Lemken in Zawadka Rymanowska bei Krosno/Polen.

2010 Juli - spätgotische Holzkirche (14. Jhh.) in Haczów/Polen.
2010 Juli – spätgotische Holzkirche (14. Jhh.) in Haczów/Polen.

2010 Juli - Ruine der Kamieniec-Burg in Odrzykoń (Ehrenberg)/Polen.
2010 Juli – Ruine der Kamieniec-Burg in OdrzykoÅ„ (Ehrenberg)/Polen.

2010 Juli - Marktplatz Krosno/Polen: Professor Dr Irene Gilsenan Nordin (Director of DUCIS, Dalarna University Centre for Irish Studies) und Renke (Student Dalarna University).
2010 Juli – Marktplatz Krosno/Polen: Professor Dr Irene Gilsenan Nordin (Director of DUCIS, Dalarna University Centre for Irish Studies) und Renke (Student Dalarna University). Einer der besten Englisch-Lehrer/Innen, die ich in meiner schulischen und universitären Karrie hatte – sie brennt für ihr Fach und hat in mir, man glaubt es kaum, das Feuer für Englisch entfacht. Schön, daß sie in Krosno dabei sein konnte.

2010 Juli - Rynek 11 Krosno/Polen: Renke und Anna.
2010 Juli – Rynek 11 Krosno/Polen: Renke (mit Shamrock – die Iren sind schuld) und Anna. Ich bin immer noch schwer begeistert, daß ich Anna, die eine alte Freundin aus dem Studiwohnheim hier ist, wiedertreffen durfte. STOR KRAM! Och vi ses i London!

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