Föhr-Marathon. Der vierte!

Und schon war er wieder vorbei. Der inzwischen vierte Föhr-Marathon auf der gleichnamigen Insel in der Nordsee, wobei die Erklärung, wo Föhr nun eigentlich liegen würde, im Klassenzimmer immer noch für Verwirrung sorgt. Gibt es also doch Inseln in Deutschland! Gewiß, und nicht nur eine.

Was ich ja immer wieder spannend und faszinierend finde, sind die zwei Welten, die bei einem solchen Marathon aufeinander treffen; nämlich die der Läufer und die der Organisatoren und Helfer. Da ich mich zur zweiten Gruppe zähle (ich würde einen Marathon sicherlich nur kriechend und dann auch nicht innerhalb der geforderten Zielzeit von 5 Stunden 30 Minuten bewerkstelligen können), sind meine Eindrücke und Erfahrungen sicherlich anders und unterscheiden sich zuweilen von den Läufern.

Diese erleben den Föhr-Marathon im Wechselbad der Gefühle: blanker Haß und schier unendliches Grauen, wenn es über den Deich geht (der Wind weht hier erfahrungsgemäß immer etwas frischer), Freude und Faszination über die Natur in den etwas ruhigeren Ecken der Insel, wenn der Wind sozusagen nur noch lästig und nicht mehr feindlich ist. Und wenn sie dann (endlich) das Ziel erreicht haben, steht die pure Freude in Zusammenarbeit mit Erschöpfung ins Gesicht geschrieben, aber auch der Stolz über eine persönliche Bestzeit, den Sieg über den ewigen Kampf am Deich. Hier und da wird dann auch schon den Organisatoren gedankt. Und woher ich das alles weiß? Weil ich jedes mal, seit dem ersten Föhr-Marathon, geduldig am Ziel sitze, zusammen mit dem Moderator, und die Hoheit über die Zeit habe. Daher kriege auch unmittelbar die ersten Fetzen Kommunikation mit, wenn die Läufer reingerauscht kommen, und, je nach Verfassung, euphorisch oder verzweifelt sind (ob des fiesen Windes auf der Insel). Da fallen dann auch schon mal harte Worte gegen Mutter Natur und ihre Winde, so z.B. abartig, widerlich und hinterlistig. Was ich unter Umständen sogar unterschreiben würde, denn als fahrradfahrender Tourist ist mir der Wind auch schon zum besten Gegner geworden. Aber der Sturm legt sich! Immer! Eine Dusche und Banane später – und man ist mit sich und dem Wind wieder im Reinen!

Dies war auch meine Wenigkeit am Sonntag, dem 29.03.2015 um 9 Uhr 30 als der Startschuß fiel und die Läufer auf die Strecke entlassen wurden. Davor allerdings fiel es mir schwer, der Welt ein Lächeln entgegen zu setzen. Freitag zuvor hatte ich natürlich Unterricht bis 14 Uhr. Schon der Weg zur Schule entpuppe sich als große Katastrophe, das gesamte S-Bahn-Netz in Stockholm war gestört. In einer meiner Unterrichtsstunden verließ es dann auch noch eine arme Schülerin, sie fiel in Ohnmacht und ich verfiel in Panik. Stunde abgebrochen, erste Hilfe geleistet und das Mädchen sozusagen wieder auf den Weg gebracht. Um 13 Uhr dachte ich: Schlimmer wird es heute nicht. Ich fasse die folgenden Ereignisse kurz zusammen: Renke am Flugplatz Stockholm, pünktlich. Eingecheckt und Sicherheit passiert. SAS teilt am Gate mit, Flug gestrichen. Renke wieder in Panik (schon fast Hysterie). SAS teilt mit, man könnte am Samstag nach Hamburg fliegen, Ankunft 16 Uhr. Renke verzichtet und kauft sich ein Flugticket mit Germanwings. Kriegt inzwischen Hilfe von der Sabine und der Susanne auf der Insel, Hotel in Hamburg gebucht. Um Mitternacht ist Renke in Hamburg (und nicht wie gedacht in Niebüll). Mit knapp sechst Stunden Verspätung trifft Renke auf der Insel ein, andere mußten für seinen Ausfall geradestehen.

Dennoch takte ich mich schnell ein, die Startnummernausgabe am Samstag verläuft ohne große Probleme. Und wie viele Läufer es wieder sind, die Turnhalle in Midlum füllt sich schnell, viele bekannte Gesichter (ja, es gibt Wiederholungstäter unter den Läufern, eine ganze Menge), frohe Erwartungen, begrenzte Unsicherheit in Bezug auf das Wetter. Es wirkt alles ein bißchen wie eine große, eingeschworene Gemeinschaft. Unheimlich positiv. Der Abend wird mit dem Nachtragen der letzten Nachmelder und Ummelder verbracht, um kurz vor Mitternacht geht das Licht aus, die Uhr wird eine Stunde vorgestellt.

Sechs Uhr, es klopft an der Tür. Erst einen Kaffee, bitte. Um kurz nach halb sieben dann Start der letzten Vorbereitungen. Aufbau der Meßanlage für die Zeit, der Funk wird installiert. Tische müssen von A nach B, die Rechner müssen konfiguriert und angeschlossen werden (u.a. für die Echtzeitberichterstattung auf Facebook, die auch in meinen Aufgabenbereich fällt), irgendwie finde ich mich auch an Absperrungen wieder. Hier und da wird auch mal gefragt, eigentlich wie immer.

Es ist 9.30 Uhr, die Läufer sind auf dem Weg. Und ich sitze an meiner Zeitmaschine und walte meines Amtes. Draußen regnet es in Strömen. Und die große Frage: Läuft das System? So wie es soll? Sicher, man hat Erfahrung mit der schwarzen Box, den Transpondern und Antennen, aber diesmal hatten wir eine neue Disziplin: den Langschläfer-Halbmarathon, der später startete, und daher auch die Zeitmessung diesmal anders konfiguriert war. Und für zwei Minuten war dann noch mal volles Panikprogramm inkludiert, nachdem der Bildschirmausdruck der Meßsoftware nicht das anzeigte, was ich erwartete (wobei nun wirklich darüber diskutiert werden kann, was man eigentlich erwarten darf!). In einer solchen Situation ist es dann möglich, den Renke panikartig über den Midlumer Sportplatz flitzen zu sehen, im Zickzack, geschwind und eigentlich völlig verwirrt. Nach Hilfe suchend. Ich kann aber an dieser Stelle freudig mitteilen: es reicht meistens eine direkte Ansage, die nötige Information kurz und knapp, aber präzise. So daß ich dann um 9.33 Uhr wieder völlig entspannt an meiner Position saß.

Und das halte ich bis zum Schluß durch. Auch wenn der eine oder andere Läufer die Ziellinie laut System zwanzigmal überquert hat (fürchtet Euch vor den Bodenantennen, ihre Reichweite ist unermeßlich), und ich soetwas fein notiere (damit es keine Verwirrungen gibt). Oder die Langschläfer laut System die besten Halbmarathonzeit haben, obschon sie sich noch nicht mal dem Start zentimeterweise genährt hatten (die Macht der Antennen ist immer noch gewaltig!). All das entging meinen Augen nicht, wurde fein und säuberlich notiert. Und später dann dem System freundlich, aber dennoch bestimmt übergeholfen.

Und um 15.15 Uhr war es soweit, die letzten beiden Läufer kamen durch, gesund und munter! Für mich bedeutete dies: alles runterfahren, vorher allerdings noch zweimal sichern. Antennen weg, Kasten zu, Rechner in Sicherheit. Ab in die Mitte. Mit allen Helfern zusammen wurde innerhalb einer Stunde der vierte Föhr-Marathon wieder in Sack, Tüten und Kartons gepackt. Lediglich das Wischen der Turnhalle stellte die Mannschaft vor nicht unerhebliche Probleme: haushaltsübliche Feudel, zwei an der Zahl, sind eher eine dürftige Ausstattung, wenn man eine Turnhalle reinigen möchte.

17 Uhr. Ein Käffchen. Update des Systems: Nachmelder und Ummelder vom Morgen müssen einsortiert werden (bis dahin sind sie bei mir im System nur eine Nummer – und auch wenn eine dieser Nummern gewinnt und die Siegerehrung gern einen Namen hätte, nicht bei mir, ich weiß von nichts und bin unschuldig wie ein Kind). Außerdem werden Wechsler (von Marathon auf Halbmarathon) umgewuppt. Eventuelle Doppelerfassungen der Zeit werden korrigiert (in diesen Momenten bin ich immer froh, daß ich neben der ganzen Technik auch meine ordinären Zettel habe). Die Uhr tickt. Ich schreibe noch eine kleine Wunsch- und Erinnerungsliste nieder, die Sabine mir nächstes Jahr wieder überreichen wird.

Und dann wird um 18 Uhr gefeiert, klein und fein mit den Marathonläufern. Also mit denen, die geblieben sind. (Also die Vorstellung, einen Marathon zu laufen, nachdem man erst morgens auf die Insel rauf ist, und nach diesem direkt wieder auf die Fähre zu stürmen, läßt mich schütteln.) Eine Welt für sich! Aber eine spannende, und entspannte. Spätestens hier kennt die Begeisterung für den Föhr-Marathon kein Halten mehr. An allen Tischen wird gelobt, es werden Pläne für das nächste Jahr geschmiedet (dabei haben die Organisatoren noch gar nichts gesagt), hier und da werden auch Optimierungen vorgeschlagen, eine kurze Rede wird sogar mit donnerndem Applaus gewürdigt, die Chef-Organisatorin muß sich überdies erheben.

An dieser Stelle, spätestens, weiß ich dann immer: es hat sich gelohnt. Für alle.

ACHTUNG – Konjunktiv! Und sollte der Föhr-Marathon in seine fünfte Runde gehen, dann wäre ich wieder dabei. Am Ziel, im Kasten, mit der Zeitmaschine. Und davor hoffentlich auch (es könnte doch eine völlig neue Erfahrung sein, endlich mal das Festzelt aufbauen zu können).

Es macht immer Spaß. Egal was da kommen möge. Schnee, Sturm, Sonne, ausgefallene Fähre, Chaos bei der Anreise, zu wenig Feudel, glückliche Läufer, ein funktionierender Lauf, leuchtende Läuferaugen, Gemeinsamkeit, Wertschätzung, Freude am Laufen und Laufenlassen.

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>>> Webseite des Föhr-Marathons

>>> Facebookseite des Föhr-Marathons

>>> Videobericht von Frank Pachura über den Föhr-Marathon 2015

 

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