[Stockholmer] Telegramm 13

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Vor zwei Wochen Besuch bei Reana und Guido in Jena. Ach, war dit schön, mal wieder in Jena aufzuschlagen! Fantastisches Wetter, verbunden mit Spaziergängen in den Jenaer Bergen und der Erkenntnis, daß die gehobene Gaststätte >>> Landgrafen bei Genuss und Kultur zwar eine bombastische Aussicht auf die im Tal liegende Stadt bietet, allerdings bei einer gleichzeitig anwesenden Hochzeitsgesellschaft völlig überlastet ist. Nachdem wir uns durch die Karte gekämpft hatten, kam die Mitteilung, es stünde nur ein Gericht zur Verfügung. Die Küche könne heute nur Rotkohl mit Thüringer Kartoffelklößen und Wildschwein aufwarten. Sehr übersichtliche Portion, aber immerhin sehr schmackhaft. Wer sich also mal zufällig in Jena rumtreiben sollte: Ab auf den Berg und einkehren, vor den Portionen nicht erschrecken, und bei Hochzeitsgesellschaften sofort Reißaus nehmen … und einfach niedliche Tierchen in der Umgebung untersuchen.

2013/09/28 Jena/Cospeda - haarsträubend?

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Wir haben in Stockholm immer noch nicht entschieden, was es wettertechnisch nun werden soll: Winter? Herbst? Vielleicht sogar noch ein bißchen Spätsommer? Nachts friert es einem teilweise den Hintern weg, tagsüber reißt man sich die Klamotten vom Leib. Das geht auf den Kopf … mehr und mehr geistert das Volk völlig verwirrt in den Katakomben der U-Bahn oder in der S-Bahn umher. Ich will Winter!

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Ich habe in meinen zwei älteren Englischklassen Gedichtanalyse durchgeführt, mit allem drum und dran: Einführung, eigene Arbeit, eine Analyse an der digitalen Weißwandtafel (neuerdings auch digitales Whiteboard genannt), Prüfung. Ich sehe inzwischen ein, daß ein solcher Auftrag katastrophal ist. Hoffnungslos. Was ich sogar verstehe, schließlich ist die heutige Schülergeneration auf Facebook, Instagram und andere elektronische Spielzeuge konzentriert, da kann ich doch schwerlich mit Shakespeare herbeieilen. Und früge man mich, ich hätte Gedichtanalyse in ihrer alten, verstaubten Form gar nicht ins Klassenzimmer getragen (auch wenn ich Lyrik LIEBE), aber die Kommune will es so, alle Gymnasien in Botkyrka müssen Gedichtanalyse „vorführen“. Meine eigene Meinung – durch einen Vergleich dargestellt: Man setzt die Kinder in ein Ruderboot, sticht ein kleines Loch hinein, entläßt sie in Frankreich in den Atlantik und wünscht ihnen viel Glück beim Durchqueren des Ärmelkanals. (Man sähe sie nie wieder, selbst wenn man den Ärmelkanal durch den Müggelsee ersetzte.) — Mit Grausen korrigiere ich die Prüfungen.

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Am letzten Wochenende ist mir bewußt geworden, daß Stockholm doch ein bißchen Club-Szene hat, vor allem wenn es um elektronische Musik geht. Die sogar bis 5 Uhr tadelloses Feiern zuläßt. Allerdings haben meine Kollegen vorher schlappgemacht. Um vier war Schluß im >>> Kolingsborg. Ein fantastischer Abend. Einzig allein die Tatsache, daß die Schlagertanzfläche irgendwann mit Blümchen und >>> „Herz an Herz“ den Abend rocken wollte, hat tiefste Depressionen ausgelöst, zumindest minutenweise. Es hätte nur noch Scooter gefehlt … Ich hoffe dennoch auf eine Wiederholung, ich glaube, ich kenne kaum andere Kollegen, mit denen man so abfeiern kann. Was unsere gemeinsamen Schüler wohl sagen würden???

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Es wird Zeit für Ferien. Nächstes Wochenende steht ein Kurzaufenthalt in Berlin an, dann wird noch mal drei Tage gearbeitet … und dann ab nach Föhr. Und dann ist wohl auch langsam wieder Weihnachten? Da fällt mir eben ein: Es gibt hier bei meinem örtlichen LIDL des Vertrauens immer noch keine Weihnachtssachen.

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Alles wird besser!

[Stockholmer] Telegramm 12

[VORWARNUNG: Dieser Artikel enthält ein Foto von einer Spinne.]

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Der Sommer in Stockholm ist zu Ende, es stellen sich morgens nur noch fünf Grad plus ein, ich kann meinen morgendlichen Kaffee wohl demnächst wieder am Stiel erhaschen! Es hat sich also der spätsommerliche Trip vor einigen Wochen nach Berlin zur Ina und Familie gelohnt, neben einem fliegenden Kalli (er mußte noch einmal ins Wasser) und einem auf dem Trampolin hüpfenden, fliegenden Renke (dem Jamie war es zu gewagt) wurde ein letztes mal in dieser Saison in meiner Anwesenheit der Grill bemüht. Und lauschige Abende vor dem Kamin im Garten sind auch nicht zu verachten! Da sind selbst Spinnen, die sich unter einem zusammengefalteten Sonnenschirm versteckt haben und beim Öffnen zum Kamikazeanflug ansetzen, ein vernachlässigbares Übel.

31/08/2013 Rahmersee [Wandlitz] - Sonnenschirmunterseitengast!
31/08/2013 Rahmersee [Wandlitz] – Sonnenschirmunterseitengast!

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Ein Frühstück am letzten Wochenende im Berliner >>> Kaffeehaus Kuchenrausch machte seinem Namen alle Ehre. Mit einer Cola und einem Milchkaffee auf Außenplatz: zwei Wespen. Dasselbe nochmal, allerdings nun mit einem Englischen Frühstück: 15 Wespen im Bohnenrausch. Meine Begleitung und ich strichen die Segel und flüchteten an einen Innentisch. Das Wiedersehen einer Schulfreundin nach mehr als 15 Jahren wurde am Tage darauf vorischtshalber gleich nach drinnen verlegt. Und eine Erkenntis nach diesem wunderschönen Stelldichein: Kinners, wat sind wa großjeworden!

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„Renke, ich konnte meinen Laptop heute nicht mit in die Schule bringen, weil es regnet und ich keine Tasche habe.“ Nun denn, ich werde beim nächsten mal einfach meine unzähligen Plastetüten im Rucksack durch das Klassenzimmer feuern. Und eventuell eine sogar per Brief verschicken.

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Mein Arbeitgeber hat sich doch tatsächlich für eine Lohnerhöhung entschieden, im unteren vierstelligen Bereich (Achtung: wir sprechen hier von Kronen). Bin ich nun reich?

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Der Ausgang der Wahl in Deutschland wird auf dem Tumba-Gymnasium mit Spannung verfolgt, meine Schüler wurden im Gesellschaftskundeunterricht zur Analyse des deutschen Wahlsystemes, der beiden Kontrahenten und zum Vergleich der Demokratieverhältnisse in Deutschland und Schweden verdonnert. Ich habe damit übrigens gar nichts zu tun, lediglich eine Teilaufgabe der Analyse wird fächerübergreifend in meinem Englischunterricht behandelt.

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Und wann wird es nun endlich wieder Winter?

Schluß [und Fortsetzung]

Aus und vorbei, die Ferien. Seit einer Woche trinkt man schon wieder eimerweise Kaffee, ißt Tonnen von Kanelbullar (die gute alte schwedische Zimtschnecke), lauscht unzähligen Vorlesungen zum Thema Pädagogik 3.0 und sitzt sich den Hintern in Konferenzen platt. Und dies alles nach ein paar Kurzbesuchen in Berlin, galt es doch, dem eigenen Verfall feierlich zu huldigen, einen Kurztripp nach Polen zu unternehmen und mit dem Kalle den Spreewald unsicher zu machen [jaaa, wir haben es geschafft: Auf Grund von Problemen in der Kommunikation bezüglich Navigation haben wir fast einen Kahn voll mit kaffeetrinkenden Menschen zum Grund geschickt, die über unsere Ramm- und Versenkversuche sichtlich amüsiert waren.].

Juli 2013 Lübbenau/Spreewald - Zufallslandung.
Juli 2013 Lübbenau/Spreewald – Zufallslandung.

Überdies war noch ein Kurzbesuch auf der Insel Föhr fällig, so direkt zum Ende der Ferien, um einfach nochmal ein bißchen Luft schnappen zu können, ehe dann der Wahnsinn in der Schule wieder seinen Anfang nehmen würde. Was bei unzähligen Ausflügen ins Watt und bei >>> Föhr on Fire auch erfolgreich durchgeführt werden konnte.

August 2013 Nieblum/Föhr - nicht davon gekommen.
August 2013 Nieblum/Föhr – nicht davon gekommen.

Und eigentlich auch bitter nötig war, zog man doch erneut in eine neue Bleibe; fast im Stadtzentrum, aber mit viel viel Blutgeld bezahlt. Man kann eben nicht alles haben, zumal ja der Wohnungsmarkt hier in Stockholm einfach nur als Katastrophe bezeichnet werden kann. Gestört wurde dieser Erholungseffekt nur durch die Tatsache, daß mein Handgepäck erstmals in meiner Laufbahn als Vielflieger am Hamburger Flughafen auf Sprengstoff untersucht wurde. Dabei verhielt man sich geradezu mystisch verschlossen, man bat mich in ein dunkles Zimmer, ohne Angabe von Gründen, nahm meinen tragbaren PC und pinselt ihn mit einer Flüssigkeit ein, schwups ein Teststreifen aufgetragen und dann Schweigen. Und ein Danke. Erst auf Insistieren meinerseits wurde mir dann nach erfolgreich bestandem Test mitgeteilt, die Röntgenmaschine hätte Sprengstoff in meinem Rechner festgestellt. Deswegen auch der geheimnisvolle Abstrichtest. Guten Flug!

So kann nun also die Zeit wieder umfangreich in der Schule verbracht werden, die erste Woche dient allein der Vorbereitung des neuen Schuljahres, wobei die Schulleitung es sich nicht nehmen lassen hat, für ein bißchen Abwechslung zu sorgen: später Dienstbeginn am Dienstag, Arbeitszeit bis elf Uhr abends, denn ab 19 Uhr schipperten wir mit einem Schiffchen durch die Stockholmer Schären. An sich eine feine Sache, gewiss, aber es gab dazu Garnelen, und ich bin leider einfach kein „Meeresfrüchtchen“, im Gegenteil. So mußte ich einfach dabei zusehen, wie meine Kollegen recht ungekonnt die Schale der Tierchen durch die Gegend katapultierten, selbst auf meinem unbenutzten Teller sah es nach einer Stunde aus wie nach einem Massaker. Herrje, man kann es eben nicht allen recht machen.

2013/08/12 Slussen/Stockholm - kitschig (schön?).
2013/08/12 Slussen/Stockholm – kitschig (schön?).

Mit Spannung wartet man nun also auf den kommenden Montag, neue und alte Schüler werden begrüßt und (wieder) eingeschult. Und eigentlich, dies sollte ein gutes Omen sein, freue ich mich auf die Racker, knapp acht Wochen Ferien, nur unterbrochen durch ein paar Guideaufträge, reichen dann doch! Laßt das Abenteuer Schule beginnen, ich werde berichten!

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Und für die ganz Hartgesottenen:


2013/08/07 * Take-off ESSA/ARN/Stockholm Arlanda, rwy 19R *
Lufthansa 2927 (Lufthansa Regional operated by Eurowings), C
anadair CL-600-2D24 Regional Jet CRJ-900LR, reg. D-ACNP *


2013/08/07 * Approach/Landing EDDH/HAM/Hamburg Airport, rwy 33 *
Lufthansa 2927 (Lufthansa Regional operated by Eurowings),
Canadair CL-600-2D24 Regional Jet CRJ-900 NextGen, reg. D-ACNP *

Island [die zweite] – Kurzbericht.

island_teaser

Nun hat es die Zeit und die Lust zugelassen, aus 750 Fotos sind gut 50 ausgewählt worden, Google Maps wurde aufs Äußerste bemüht, die Hirnzellen zwecks Erinnerung auf Vordermann gebracht und zu guter Letzt der Editor des Blogs hochgefahren. Und ich werde es wirklich bei einem Kurzbericht belassen, denn wer will schon tägliche Einzelberichte in Romanform lesen, und sicherlich werden die Fotos einen eigenen Beitrag leisten, der Worte überflüssig macht.

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