[Normal ist] Anders.

In Teilen Deutschlands unkt man, alles wäre normal in Schweden, unter Corona.

Vielleicht: Die Grundschulen und Kindergärten sind offen. Die Bars sind offen. Die Restaurants sind offen. Einige Ski-Gebiete im Fjäll (also in den Bergen) sind offen. Die Flughäfen sind offen. Die Fähren fahren. Sämtliche Geschäfte bieten ihre Waren feil. Man kann noch Autos mieten (wie ich dies unlängst für eine Fahrt nach Falun tat).

Aber: Der Flughafen in Malmö hat nicht einen einzigen Flug. Schwedens Hauptstadt hat heute gerade mal vier Ankünfte. Die S-Bahnzüge sind im Berufsverkehr menschenleer. Die Busse werden nicht mehr durch die vordere Tür betreten. Abstand halten ist auch in Schweden Maxime Nummer eins. Die Kasse im Supermarkt verschanzt sich hinter Plexiglas. Der gemeine Schwede sucht die Einsamkeit, und die Technologie. Man geht nicht mehr zum Arzt, so es denn nicht lebensbedrohlich ist. Landesweite Prüfungen für Grund- und Gymnasialschüler in den Fächern Mathe, Schwedisch, Englisch sowie den sozialwissenschaftlichen Fächern fallen aus. Die Nachrichten platzen wegen Corona. Das Virus live und überall, 24 Stunden am Tag. Mit allen Konsequenzen. Mit den Neuinfektionen. Mit den Verstorbenen.

Wie kommt man also auf die Idee, dass alles in Schweden unter normal läuft?

Denn: In Schweden ist es seit Jahren Usus, Arbeit, Bildung und Studium (auch) auf Distanz zu betreiben, also über das Internet! Die Infrastruktur gibt es hierfür, ich habe schon im Jahre 2006 über das WWW mein Studium erledigt. Für uns normal! Für den Rest der Welt ein Wunder?

Auch in Schweden besucht man seine älteren Mitbürger nicht mehr! Vor allem Pflege- und Altenheime sind tabu!

Als normaler, klar denkender Mitbürger folgt man den Empfehlungen der Regierung und der Experten.

Man schützt die Risikogruppen.

Man akzeptiert ein Ostern zu Hause.

Man verzichtet auf Konzerte, Kino und Fußballspiele.

Man sieht seine Mitmenschen, Freunde und Familie digital, egal, wie schwer dies einem fällt. Eingegrenzte Kontakte, keine Gruppen, keine Menschenmengen!

Man hamstert nicht das Toilettenpapier, auch wenn die Versuchung am Anfang groß und unerbittlich war.

Man sieht einem Sommer ohne Urlaub entgegen.

Man ändert sein Leben.

Nur: Bisher hat der Schwede die Nachricht verstanden und kann sich anpassen, ohne dass die Regierung mit Verordnungen, offiziellen Einschränkungen und Strafen daher kommen muss. Noch funktioniert des Volkes Einsicht, auch wenn dies im Rest von Europa nicht verstanden werden kann.

Normal ist also auch in Schweden nichts. Genauso wie viele andere auf diesem Planeten kann ich Ostern nicht mit meiner Familie verbringen. Ich kann nicht verreisen. Ich muss mich einschränken. Die moderne Informationstechnologie nutzen. Und Abstand halten. Wie alle anderen auch. Das Beste daraus machen. Auch wenn es keinen Spaß macht. Und nach Ostern unter Umständen wieder im Klassenzimmer stehen. Was nicht normal ist. Aber vielleicht meinen Schülern und mir hilft, das Schuljahr halbwegs vernünftig über die Bühne zu kriegen. (Vielleicht sollte man einfach nur, bei allem Unverständnis, mal darüber nachdenken, dass das Mittagessen an den Schulen in Schweden nichts kostet. Und dass ein großer Teil meiner Schüler nur die Schule als geregelten, vorhersehbaren Tagesablauf ihr Eigen nennen darf!)

Anders ist also normal. Auch in Schweden. Wie bei allen anderen. Nur die Art und Weise, die ist vielleicht nicht normal.

Ich wünsche allen frohe Ostern!

Nur diesmal etwas anders.

[fantastischer] Fehlstart.

Die Planung:

Ein bißchen vorschlafen. Und ein bißchen voressen. Um 21 Uhr zum Kalle. Ganz ruhig und ohne großen Wahnsinn in das neue Jahr hinübergleiten. Drei Raketen in die Lüfte schießen. (Entgegen meiner Vorsätze bin ich leider am Feuerwerk nicht vorbeigekommen. Ich habe sieben Euro investiert.) Und sicherlich „Dinner for One“ anschauen. Den ersten Abend des Jahres dann in der Hafenbar begrüßen.

Die Realität:

Um 16 Uhr am Silvestertag stellt sich völlig unerwartet ein recht eigenartiges Gefühl im Magen ein – Nachtigall, ick hör dir trapsen. Man ist noch froher Dinge. Gegen 18 Uhr allerdings gesellt sich ein Schüttelfrost dazu, klappernd sitzt man vor dem Fernseher, die Nachtigall sieht man inzwischen. Gegen halb neun schreibt man noch schnell die Absage, bevor man in den unendlichen Weiten des Sofas versinkt und sich verzweifelt die Decke über den Kopf schlägt. Die Nachricht mit der Absage bleibt leider irgendwo hängen, so daß man um halb zehn völlig verwirrt eine mündliche Absage vornimmt. Das Tosen und den Weltuntergang um Mitternacht nimmt man mit dem linken Ohr zur Kenntnis. Der Kopf könnte inzwischen jedem Böller einfacher Bauart Konkurrenz machen. Das Sofa wird zur Heimstätte für die nächsten 36 Stunden.

Ist-Zustand:

Der Schüttelfrost ist langsam von dannen gezogen, dem Kopf hingegen ist noch leicht blümerant. Man wird zur Sicherheit noch ein bißchen kürzer treten. Das neue Jahr hat man zwar einerseits verschlafen, allerdings konnte man dann um sieben Uhr am Neujahrsmorgen völlig nüchtern und ohne Kater das Chaos auf der Frankfurter Allee begutachten, im Dunste der Großstadt. Die letzten Versprengten hangeln sich an Häuserwänden entlang und suchen die U-Bahnstation, hilfsweise wünschen sie allen Bewohnern ein frohes neues Jahr. Davon abgesehen ist es unheimlich ruhig in der riesigen Stadt. Und bevor ich mich wieder aufs Sofa flüchte, wünsche ich mir und allen anderen einfach:

FROHET NEUET!