Ein schwedisches Wort – nr. 47

Nach einer Woche S-Bahnfahren in Stockholm, berufsbedingt, möchte ich den Berliner an dieser Stelle mitteilen: Seid froh über das, was ihr in der Hauptstadt habt!

Ich weiß nicht, wann ich das letzte mal so viel Zeit in S-Bahnzügen verbracht habe, die zwar alles mögliche machten

(z.B. summen, tiefkühlen, brummen, stinken, flackern, ermahnen

[Tänk på avståndet mellan vagn och plattform när du stiger av. Dt.: Denken sie an die Lücke zwischen Bahnsteig und Fahrzeug, wenn sie aussteigen. Das macht der Zug natürlich genau dann und immmer wieder, wenn man auf freier Strecke 40 Minuten vor einem roten Signal steht],

überfüllt sein, auseinanderfallen …),

aber eben nicht fuhren. Wenn man also apathisch in einem solchen Zug sitzt, der Fahrer was von roten Signalen stammelt, meint, man müßte da nun einfach gemeinsam durch, man könne nichts machen, er schon gar nicht, und eigentlich wäre das alles ja gar nicht so schlimm, es würde sicher irgendwann wieder grün werden

(es wurde grün, irgendwann, und dann brauchte der Zug für eine Station genau 25 Minuten),

dann nimmt man das am Montag einfach zur Kenntnis und verschiebt seinen Feierabend zu Hause etwas nach hinten.

Am Dienstag war dann Stromausfall. Wäre wieder alles gar nicht so schlimm. Man könne nichts machen. Ich habe meine Touristen am Boot mit Ach und Krach gerade so noch pünktlich erreicht. [Nicht, legt man deutsche Maßstäbe an.]

In Karlberg war am Mittwoch das Signal wieder hinüber. Man wüßte nicht, wann es weiter ginge. [Frage an mich selbst: Könnte man nicht mal die Betriebsleitung befragen?] Anstatt 36 Minuten Fahrzeit kroch der Zug nach 90 Minuten in Märsta ein.

Ich habe mich am Donnerstag geweigert, aus dem Haus zu gehen.

Heute früh: 60 Minuten Verspätung. Signalfehler. Für mich war zweiter Schultag. Ich war gezwungen, die S-Bahn gleich dreimal zu benutzen, da ich an zwei unterschiedlichen Schulen arbeite. Der Morgenkurs mußte geschoben werden. Zwei Nachmittagskurse erlebten einen vor dem S-Bahnsystem kapitulierenden Renke. [Weichenstörung. Verspätungen im gesamten Netz bis zu 30 Minuten.]

Der Stockholmer nennt das Ganze einfach nur Pendeltågseländet, ich nenne das einfach nur das S-Bahn-Elend.

Ich bin gespannt, was mich nächste Woche erwartet, das Vokabular wurde diese Woche noch nicht >>> ausgereizt.

Und nein, ein Auto wäre keine Alternative. Mit einem solchen braucht man jeden Tag fast zwei Stunden in die Stadt. Wenn man (realistischerweise) annimmt, daß man pro Werktag mit der S-Bahn nur 60 Minuten Verspätung hat, und statistisch einmal in der Woche wirklich alles gutgeht, dann bleibt der ÖPNV einfach die am wenigsten Zeit verbrauchende Alternative.

Ich möchte fliegen.

Nachts.

Daß >>> ARN (Stockholm Arlanda flygplats) keine Nachtflugbeschränkung kennt und die Flieger direkt neben meinem Bett landen oder starten (der Autor übertreibt etwas, immerhin sind es 5 km Luftlinie zwischen Matratze und Anflugs- bzw. Abflugsschneise), gekauft. Daß die Züge zwischen Stockholm Hbf. und Uppsala via Märsta just in Höhe meiner Matratze das Horn schallen lassen, akzeptiert. Daß >>> David León nachts Party im Bett feiert, verstanden. Daß die Verspätungsdurchsagen der S-Bahn durch meine Matratze schwingen, man steht drüber.

Daß man in Berlin immer noch darüber diskutiert, ob man nicht bis >>> 22 Uhr Straßenbauarbeiten durchführen sollte, es bedeutete vielleicht schnelleres Bauen, zur Kenntnis genommen. Daß man in Schweden in Sachen spätes Bauen bis 22 Uhr keine Skrupel kennt, alter Hut.

Daß aber irgendein Knaller hier nun morgens um zwei mit dem Bagger anrückt, um die Straße in der Nachbarschaft auseinanderzunehmen, das erfährt doch meine Verwunderung…

 … und kann auch nicht damit aufgewogen werden, daß Fitneßtrainer Daniel (er möge um Gottes Willen bitte ab sofort Prinz genannt werden!) und Kronprinzessin Victoria nun >>> ein Kind bekommen.

[Nein, ich war bei der Bekanntgabe dieses Ereignisses, was die Deutschen anscheinend noch mehr in den Himmel hebt als die Schweden, nicht am Schlosse in der Gamla stan zugegen, ich bitte um Entschuldigung, es wurde mir einfach nicht avisiert.]

Gute Nacht!

Sinnlos, was sollen wir hier machen?

Tja, da war es also am letzten Mittwoch wieder soweit, halb vier raus aus dem Bett, schnieke gemacht und dann ab in den Bus zum Flieger. Und das Gute daran: die Fahrt dauerte nur zehn Minuten. Herrlich, wie nahe der Flughafen doch inzwischen ist, vorbei die Zeiten von endlosen Zugfahrten und dem Übernachten auf Arlandas harten Fluggastbänken. Ein bißchen mehr Luxus im Leben nun, sozusagen.

Und warum flog der Herr schon wieder in der Weltgeschichte herum? Ganz einfach, der eigene Geburtstag stand an, und auf Grund gewisser Veränderungen hier in Stockholm, die vor allem auf die Sommerplanungen erheblichen Einfluß hatten und diese veränderten, hatte ich mich relativ kurzfristig entschieden, dann doch in Berlin zu feiern. Daher gilt es an dieser Stelle auch ein großes Dankeschön an alle da draußen in Berlin zu senden, die in Ruhe und Bescheidenheit zusammen mit mir ins neue Lebensjahr gestolpert sind, es war mir wie immer eine große Freude! Und natürlich habe ich mich auch über die unzähligen Gratulationen derjenigen gefreut, die nicht zur Stelle waren und das ganze fernmündlich bzw. fernschriftlich getan haben. Und da ein Geburtstag ja nie genug ist, wurde am dann einen Tag später gleich noch weitergefeiert, der Tradition entsprechend, denn Uli wurde ja nun auch ein Jahr älter.

Irgendwann allerdings war dann auch mit der ganzen Feierei Schluß, denn am Sonntag war für mich schon wieder Touristenführung in der Stadt angesagt, so daß ich am Samstag relativ ausgeruht am Nachmittag gen Stockholm über Riga aufbrach. Nun wird man sich wahrscheinlich fragen, ob das nicht ein Umweg wäre, aber die einzige direkte Verbindung an einem Samstag war durchaus teuer, so daß sich der Umweg mit >>> airBaltic wirklich lohnte, zumindest in preislicher Hinsicht, und siehe da, ich bin entgegen vieler Erwartungen nicht mit der Propellermaschine abgestürzt, sie ist sanft und sicher in Riga runtergekommen.

Ausschlafen am Sonntag also fiel aus, um halb sechs saß ich schon wieder in der S-Bahn in Richtung Stadtzentrum, um dann gegen acht in Nynäshamn am Schiff meine Touristen einzusammeln.  Eigentlich hatten wir eine wunderbare Tour, vor allem im Vasamuseum, es lief alles wie am Schnürchen, und als es dann Zeit war, die Gäste in der Altstadt zu verabschieden, wurde ich doch tatsächlich darauf hingewiesen, daß einige Gäste irritiert wären, weil sie nun vier Stunden in der Stadt Zeit hätten, ehe sie von Shuttle-Bussen wieder zum Schiff gebracht würden: „Sinnlos, was sollen wir hier machen? Es ist doch Sonntag und alles geschlossen!“ Herrlich. Also irgendwie hatte ich sekundenweise den Eindruck, alle hatten ihre Augen geschlossen, als wir mit dem Bus durch die Stadt gefahren sind. Es waren, wie immer an einem Sonntag in Stockholm, ein Haufen Leute unterwegs, die wie die Ameisen in die Einkauszentren geströmt sind. Irgendwie war mir nicht ganz klar, was man mit der obigen Feststellung meinte, und ich fragte deswegen noch einmal nach, was genau denn nun sinnlos wäre, und die Antwort war genaus kryptisch wie die erste Feststellung der Gäste: „Na Sie wissen doch, es ist Sonntag!“ Es blieb mir dann einfach nichts anderes übrig, als darauf hinzuweisen, daß man hier in Schweden selbst am Tag der Arbeit ganz normal einkaufen gehen kann und versicherte fast an Eides statt, daß man genug Möglichkeiten hätte, auch an einem Sonntag sein Geld loszuwerden, zumal man sich ja in der Altstadt befände. Naja, mir wurde das beim Abschied noch nicht ganz geglaubt, einige waren skeptisch, ob denn nun die teuren Eurofallen für Touristen auch wirklich zugänglich wären (siehe da, wir erinnern uns, normalerweise bezahlt man hier mit der schwedischen Krone), und ich grübelte noch in der S-Bahn auf dem Weg nach Hause darüber, warum man nun eigentlich so heiß darauf war, sein Geld unbedingt an einem Sonntage loszuwerden. Beschweren will ich mich aber nicht, man beschied mir wieder einmal gute Führungskompetenzen und war erleichtert, eine echte Berliner Schnauze vor sich zu haben, in den anderen Städten war das wohl eine recht üble Sache mit den Führungen auf Deutsch, zumindest meinten die Gäste das, und der Gast hat immer Recht, nicht wahr?

So sieht das also aus. Morgen steht schon die nächste Tour auf dem Programm, allerdings wurmt es mich, daß Schloß Drottningholm wieder auf dem Fahrplan steht. Ich mag dieses Schloß nicht. Wenn ich mir Wohnzimmer angucken möchte, fahre ich zu IKEA. Genau. In diesem Sinne, frohes Schaffen!