17 Minuten von T-Centralen.

Nun habe ich ja zuweilen schon immer wieder bemängelt, daß Stockholm nicht unbedingt Falun wäre, was vor allem bezüglich der Natur gemeint ist. Allerdings wurde ich nun am gestrigen Abend eines besseren belehrt, entschied ich mich, doch meine neue Umgebung, die zumindest noch drei Wochen lang mein „Zuhause“ sein wird, zu erkunden. Ich wollte mich also nicht nur mit einem Spaziergang auf Djurgården zufrieden geben, sondern das Abendbrot zwischen 18.45 und 20.00 Uhr abarbeiten, ehe ich dann ein dreistündiges, wunderbares Skypegespräch mit der Uli hatte. Ich wagte mich in mir unbekannte Gefilde vor, und daraus wurde schlußendlich ein sieben Kilometer langer Marsch mit dem bangen Blick auf die Uhr, der Termin um 20 Uhr war nämlich auf Grund dessen, daß mir die Umgebung nicht geläufig war, unhaltbar. Ich hatte mich tatsächlich „verirrt“. Um das vielleicht genauer zu erklären: Man wohnt genau siebzehn Minuten U-Bahnfahrt von Stockolms Zentrum, die Station wird einfach nur T-Centralen (U-Bahnhauptbahnhof, sehr freie Übersetzung) genannt, entfernt. Ich habe einfach nicht damit gerechnet, obschon ich es eigentlich hätte besser wissen müssen, daß ausgedehnte Wald- und Seegebiete einem das Navigieren in einer Großstadt schwierig machen könnten. Immerhin hat Stockholms Region fast zwei Millionen Einwohner. Nun denn, ich habe dazu gelernt. Spontane Abendspaziergänge auf unbekanntem Stockholmer Terrain sollten wohl durchdacht und aufwendig geplant werden, man landet sonst mitten im Wald, ohne genaue Peilung. Wie glücklich ich in diesem Moment doch war, Besitzer eines Mobiltelefons mit Internet und GPS zu sein, Google Maps hat mich und das Skypegespräch gerettet. Dumm nur, daß der Akku nicht vollständig geladen, darauf hatte ich bei meinem Aufbruch großzügig verzichtet. Alles eine Frage der Planung, eben siebzehn Minuten von T-Centralen.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Natur.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Natur.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Wassergemüse.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Wassergemüse, in Licht.

2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) - Eingefangen.
2011/06/06 Stockholm Bagarmossen (Söderbysjön) – Eingefangen, in Licht.

Sveriges nationaldag.

Sveriges flagga/Schwedens Flagge
Dem Anlaß entsprechend: die schwedische Flagge.

Auch wenn man heute fern in der deutschen Heimat dem Schuften frönt, so nutzt der gemeine Schwede den heutigen Tag zum Feiern, wir haben nämlich den nationalen Feiertag, Sveriges nationaldag, der jedes Jahr am 6. Juni gefeiert wird. Auf der einen Seite erinnert man sich der Krönung des Königs Gustav Wasa im Jahre 1523 und der damit verbundenen Auflösung des Staatenbundes Dänemark-Schweden (Schweden wurde also ein eigenständiger Staat), auf der anderen Seite nutzt man diesen Tag, um der schwedischen Flagge zu huldigen, die heute wirklich überall im Winde weht.

Nun denn, meiner einer ist ja nun noch nicht ein Vollschwede, daher läßt man diesen Tag meinerseits ruhig angehen, die Schweden hingegen geben Vollgas. So ist „Öppet hus“ im Könglichen Schloß, also freier Zugang zu fast allen öffentlichen Bereichen des Schlosses, es wird aber sicherlich verständlich sein, daß ich in meiner Freizeit nicht unbedingt in Lokalitäten einfalle, die ich sonst meinen deutschen Touristengruppen erkläre. Außerdem läuft der Schwede an solchen Tagen ja nicht nur einzeln auf, ganz im Gegenteil, am Schloß herrschte der kollektive Ausnahmezustand. Der herrscht allerdings auch bei einigen Schweden, die sommerliche Wärme und ein Feiertag laden zum Schlürfen und Süffeln ein – mag es ein Bier oder ein Wein sein. Die Ausfallrate ist dabei schon am frühen Nachmittag beträchtlich hoch, die U-Bahnfahrt durch die Stadt war recht putzig anzusehen. So herrschte Verwirrung über die zu benutzende Linie, das ausführliche Studieren der Linienkarten wollte bei einigen nicht mehr so recht klappen. Naja, die Schweden sind ja unter der Woche ein recht stilles Völkchen, aber wehe es ist ein Feiertag … rette sich wer kann!?! [Ich bin auf die Gesichter im morgigen Berufsverkehr gespannt, es wird wohl einiges Leid zu entdecken sein.]

Man kann den schwedischen Nationalfeiertag natürlich auch anders verbringen. Vorbildlich habe ich mich um neun aus dem Bett heraus gearbeitet, um nach einem leichten Frühstück eine gute Freundin aus Falun wiederzusehen. [Irgendwie nimmt das an Häufigkeit zu, also daß ich ehemalige Studienkollegen hier in Sthml wiedertreffe.] Wir haben uns auf Djurgården getroffen und einen Teil erkundet, den ich selber noch nicht kannte, >>> Rosendals Trädgård.


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Eine wirklich feine Anlage! Viele Farben, viel Grün, einige glückliche Hühner (die frank und frei umher hopsen) und ein paar Bienen. Allerdings war das mit Bienen diesmal so eine Sache, ein Schild wies darauf hin, daß diese „unruhig“ sein könnten, wurden sie doch erst jüngst umgezogen. Und das waren sie dann auch, selbst mit zehn Metern Abstand hatte man den halben Stock vor seinem Gesicht, der wirr hin und her flog. Ich fühlte mich leicht gestreßt, leicht. Dennoch kann ich von einem wunderbaren Tag berichten und drücke nun einfach mal die Daumen, daß die Woche sich weiter so positiv entwickeln wird, man hadert zuweilen in leichten Anflügen mit seinem Schicksal. Kommt eben vor.

Soweit der Stand der Dinge aus dem hohen Norden (mit verdammt hohen Temperaturen, man könnte meinen, ich tue das durchaus, es sei zu warm). Frohes Schaffen!

Ente [mit Hitzewallungen].

2011/05/08 Stockholm [Norr Mälarstrand] - Plasteente namens Båtanka Anqi mit Hitzewallungen.
2011/05/08 Stockholm [Norr Mälarstrand] – Plasteente namens Båtanka Anqi (Swe-Duck) mit Hitzewallungen.

Ente, aus Plaste, mit Sauna und Kamin. Und völlig untreu, kann sie doch >>> gemietet werden: 360 € die ersten zwei Stunden, jede weitere Stunde schlagen mit 160 € zu Buche. Teurer Broiler, allerdings einzigartig in Schweden, das >>> Schwesterplastefedervieh schwimmt bei den Finnen rum. Ob das gesund ist???

Erlösung [in der Tunnelbana].

Du ahnst es nicht. Ich weiß nicht, was ich der Welt angetan habe, aber im Moment setzt sie mir bei jeder Fahrt mit der U-Bahn, der Tunnelbana, Deutsche gegenüber, die dem Klagen über die Welt und Stockholm nicht widerstehen können. Ganz und gar nicht. Surreal. Da hätten wir das eine Paar Rentnerdamen, welches nun also am heutigen Tage zum Essen aus war und nicht umhinkommt festzustellen, daß der Service und das Essen richtig gut waren, vor allem diese Frische und der Aufbau des Menüs, daß aber auf der anderen Seite das Grillen in den unzähligen Parks in Stockholm widerlich sei, und eigentlich sind junge Leute alles Schweine. Genau. Und überhaupt, wie voll doch die Hauptstadt wäre, man käme nirgends mehr durch. Und die Passagiere in der U-Bahn, also ein Graus. Und daß die jungen Leute aber auch immer und überall telefonieren müßten. Und, Marga, der junge Mann neben dir scheint zu viel gefeiert zu haben, der sieht ganz blaß aus. Nein, werte Dame, dem jungen Mann neben ihrer Freundin Marga ist nur ganz blümerant, denn spricht er doch fließend Deutsch.

Pause im Drama „Erlösung in der Tunnelbana“, ich habe meinen Arbeitsplatz erreicht und unterrichte Deutsch.

Dem jungen Mann ist auf dem Rückweg nicht mehr so ganz blümerant. Der Deutschunterricht hat geholfen. Er legt auf dem Weg nach Hause einen Stopp bei „Dressmann“ ein, für die morgige Führung von Deutschen in Stockholm möchte sein Arbeitgeber ein weißes Hemd sehen. Die Frage nach einer möglichen Hemdgröße, sie war unbekannt, wurde ohne Umschweife von einem Verkäufer festgelegt, Diskussionen waren nicht zugelassen. Ein Hinweis darauf, daß man zurückkäme, paßte das Hemd nicht, wurde mit frechem Grinsen und einem „sehr gerne doch, junger Mann, sie wissen ja, wo sie mich finden“ beantwortet, da man nicht in der Tunnelbana ist, natürlich auf Schwedisch. (Was heute nur alle mit junger Mann haben?)

Einschub: Das Hemd paßt wie angegossen.

Tunnelbana. Tüten und Tasche auf dem Nachbarsitz. Es war heiß – ungewöhnlich warm in Stockholm. Zwei Frauen steuern auf den jungen Mann zu, der nimmt sehr zögerlich, Wärme bekommt ihm nicht und macht ihn undiplomatisch, seine Tüten weg, nachdem eine der beiden auf Schwedisch insistierte. Plötzlich steht eine Tüte mit zwei übereinander gestappelten Springformen neben ihm, die Frauen nehmen gegenüber Platz. Eine balanciert ein Kuchenblech. Deutsch. Frage der einen: Was macht das Leben schön? Antwort: Das Leben ist nicht schön. Frage: Hast Du Angst vor dem Tod? Antwort: Nein, der Tod ist eine Erlösung. Stille. Frage: Themenwechsel, nächstes Thema? Antwort: Stille. Der junge Mann guckt aus dem Fenster, seine Stirn liegt in tiefen Gräben. Die eine zur anderen: Der guckt so komisch. Stille. Der junge Mann fragt: Themenwechsel? Schweigen.

Ich darf aussteigen, inzwischen bin ich nämlich an meinem Ziel angekommen.

Memo für die morgige Aufführung Tunnelbana: Renke, nimm den MP3-Player mit.