(vertieft in) Stockholm.

Mich dünkt, lieber Leser, ich hatte schon erwähnt, daß ich einen Kurs zum Touristenführer in Stockholm durchlaufen habe, den man auch ordentlich und erfolgreich abschließen konnte. Dabei wurden einem in elf Tagen so viel Informationen über diese Stadt ins Ohr gesäuselt, daß die berühmte graue Masse da oben Kopf, das Gehirn, hier und da Details einfach wieder rausbefördert hat, die Langzeitspeicherung also völlig unterblieb bzw. kläglich versagte. Daher nutze ich den heutigen Tag, man nahm sich ausnahmsweise einmal frei, um mit Kurskameraden in Ruhe und ohne Zeitdruck noch einmal die Route in der Altstadt, Gamla Stan, genauer zu betrachten, um dann den deutschen Touristen auch wirklich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit berichten zu dürfen. Dabei sind mir zwei Plätze ins Auge gestochen, die Probleme bereiten könnten, denn beide sind sozusagen klein, sehr klein. Es könnte also ernst werden an diesen Stellen, es kommt darauf an, wie insistierend die Urlauber sind. Sollten sie so insistierend sein, wie das Stockholmer Eis, wird es lange dauern, sehr lange, bis so eine Führung zu Ende sein kann.

2011/04/05 Stockholm, Slussen - Blick auf Gamla Stan. Mit Eis.
2011/04/05 Stockholm, Slussen – Blick auf Gamla Stan. Der Mälaren mit Eis.

Das Eis nämlich hält sich wacker, auch wenn wir inzwischen Plusgrade am Tage zu verzeichnen haben, es ist  recht gefährlich, die Eisflächen zu betreten. Für mich wird es gefährlich, wenn die deutschen Touristen, meiner Obhut unterstellt, mit ihren Kreuzfahrtschiffen am Stadthafen parken und den streng durchgerechneten Zeitplan ihrer Tour in Schwedens Hauptstadt durcheinander bringen. Schließlich habe ich Sorge dafür zu tragen, daß alle rechtzeitig am Schiff zurück sind, sonst brennt wahrscheinlich die Hütte. Daher wäre es sehr unpraktisch, würden alle in einer Gruppe die (angeblich) kleinste Skulptur von Stockholm berühren wollen, soll der Eisenjunge – Järnpojken – doch Wünsche erfüllen können, streichelt man seinen Kopf.

2011/04/05 Stockholm, Gamla Stan - Eisenjunge/Järnpojke. Mit Schal?
2011/04/05 Stockholm, Gamla Stan – Eisenjunge/Järnpojke. Mit Schal?
Alternativ wird die Skulptur auch „Pojke som tittar på månen“ genannt, also „Junge der zum Mond schaut.“

Die ca. 20 – 25 cm große Skulptur wurde vom Künstler Liss Eriksson 1954 geschaffen und 1967 eingeweiht, es hat also nicht viel Zeit gebraucht, diesem Kunstwerk magische Kräfte nachzusagen. Auch ist es üblich, Geld zu seinen Füßen abzulegen, welches allabendlich eingesammelt wird und Bedürftigen zu Gute kommt. Wenn nun also 40 Menschen hier einmal anfassen möchten, und vielleicht noch drei, vier andere Touristengruppen als erste da waren, dann bekommt man ein zeitliches Problem. Allerdings ist die Lösung der ganzen Sache recht einfach und unter meinen Kollegen schon diskutiert – wir gehen einfach mit ihnen in die Deutsche Kirche und lassen den Eisenjungen einfach weg. Wehe, die Kirche hat einen ihrer Schließtage, dann gilt es zu improvisieren. Dasselbe gilt dann auch beim Aufsuchen der Mårten Trotzigs gränd:

2011/04/05 Stockholm, Gamla Stan - Mårten Trotzigs gränd von Prästgatan aus.
2011/04/05 Stockholm, Gamla Stan – Mårten Trotzigs gränd von Prästgatan aus.

Ich denke, eine normale Fantasie sollte ausreichen, um sich vorstellen zu können, daß alle ein Bild von dieser nur 90 cm breiten Gasse machen wollen (Asche auf mein Haupt, ich tat es ja auch), gar möchte man durch diese hindurchschreiten? Das macht sie bei 40 oder 50 Teilnehmern natürlich ganz schlecht, weil man keine Zeit hat und im Sommer natürlich eine solche leere Gasse ein unerreichbarer Traum ist. Da hilft wahrscheinlich nur der Hinweis an die Teilnehmer, daß man sicherlich auf das richtige Motiv warten könnte, vielleicht sogar einzeln durch diese Gasse wandeln würde, daß jedoch das Abendessen auf dem Kreuzfahrtschiff dann sicherlich im Eimer wäre, das Schiff nämlich nicht mehr am Pier weilte. Und dann ergäben sich Unannehmlichkeiten der höheren Art, schließlich wird es schwierig, dem Dampfer mit einem Taxi auf der Ostsee zu folgen … Man hat also seine kleinen Mittelchen, um gewisse Betrachtungs- und Bewunderungsvorgänge zu beschleunigen, ich denke, es kommt einfach auf einen effizienten Einsatz dieser an. Was dann heißen soll: freundlich aber bestimmt! Ich werde, so es denn Zeit ist oder war, berichten.

Großstadt [-probleme]

Nun denn, die zweite Woche in Sthml ist überstanden. Zwar fuhr hier und da die U-Bahn nicht, weil irgendwo ein Kabel durchgeschmort ist, das passiert hier komischerweise öfter und immer auf dem Weg zur Arbeit, und auch die S-Bahn lädt zuweilen zum Explodieren ein (sie kommt einfach nicht). Außerdem habe ich mein Training zum Stadtführer abgeschlossen, was sich am Donnerstag so gestaltete, daß man acht Stunden mit dem Bus durch Sthml gekarrt wurde, eine Art mündliche Prüfung, um dann nach vier Stunden irgendwann seine Kenntnisse zum Besten geben zu können, nachdem alle Italiener durch waren. Ui, ich kann nun nicht mehr durch die Innenstadt wandeln, ohne dabei an irgendwelche Daten und Menschen und Geschehnisse zu denken … aber so mögen sie kommen, die deutschen Touristen, ich bin vorbereitet.

Recht  possierlich war heute der Anblick vor dem >>> Systembolaget, welches ja bekanntlich aufgesucht werden muß, will man Alkohol erstehen. Dabei sprechen wir hier von ganz normalen Getränken, wie Wein oder Bier. Es ist aber eben nun einmal so, daß in Schweden Getränke mit einem Alkoholgehalt  über 3,5 Vol. % nicht im Supermarkt erhältlich sind. Daher durfte ich heute zum ersten Mal in meinem Leben erblicken, wie Menschen stundenlang für den Alkohol anstanden, das Systembolaget in der Folkungagatan nämlich war hoffnungslos überfüllt. Und das scheint hier auf Södermalm jedes Wochenende so zu sein, der Staat hat wohl den Wunsch seiner Staatsbürger nach Alkohol unterschätzt und eine Expansion auf unserer Insel einfach mal verpennt. Nun denn, der Wunsch nach dem Erwerb einer Rotweinflasche, die eigentlich nur zu einem Abendessen mitgenommen werden sollte, hatte sich nach dem Anblick der langen Schlange in Luft aufgelöst. Jetzt muß einfach Schokolade herhalten. Man hat hier vielleicht Probleme …

Schönes Wochenende!

Der Anfang vom Ende … Abschluß.

Am gestrigen Tage ging nun also das Kapitel Falun wirklich seinem Ende entgegen, auch wenn das im Moment alles surreal wirkt. Allerdings hatte ich auch noch nicht wirklich Zeit, eingehend darüber nachzudenken, was in den letzten 72 Stunden so passiert ist. Denn am Samstag schlug ich mich (für meinen Sommerjob) im Stockholmer Schloß und im Vasamuseum herum, Ausbildung zum Touristenführer, um hiernach das Auto gen Falun zu steuern, in welchem man dann nur noch sein geliebtes Bett aufsuchte. Am Sonntag wagte man sich dann ins Chaos hinein, irgendwie müssen ja sechs Jahre Falun ausgeräumt werden, wobei ich dann gegen Mitternacht ernste Zweifel hatte, ob der Übergabetermin am Montag um 14 Uhr wirklich zu halten sein könnte. Er konnte. Das Auto war bis oben hin voll, hier und da wurde einiges dem Faluner Recyclingzentrum zugeführt,  und um 17 Uhr hieß es dann: Stockholm, ich komme. Man kann sich bestimmt vorstellen, nachdem ich von Sonntag zu Montag nur drei Stunden geschlafen hatte, daß mit mir gestern abend nichts mehr anzufangen war. Und auch der heutige Tag ist noch von den Chaostagen betroffen, ein Falunkater sozusagen. Dies hatte auf der einen Seite zur Folge, daß ich im Pendeln (S-Bahn) vor mich hindöste und bald meine Station verpaßte, auf der anderen vermochte ich kaum, die schwedische Sprache angemessen zu benutzen, die armen Schüler. Und alt werde ich auch heute nicht, ganz und gar nicht, bin aber froh, daß der Umzugsspuk vorbei ist. So sieht das im Moment aus. Ich darf mich nun also Neustockholmer schimpfen, wir werden sehen, ob dies gutgehen wird. Für heute zumindest der eindeutige Befund: ja. Für die Zukunft: Ich werde berichten!

Der Anfang vom Ende … III.

Nun hat es sich also endlich ergeben, daß meine Wenigkeit zwar noch nicht umgezogen ist, jedoch heute den ersten Arbeitstag in Stockholm hatte, und siehe da, eigentlich recht gut überlebt hat. Sicher, das abendliche Chaos in der Stockholmer U-Bahn ist noch etwas gewöhnungsbedürftig, man kann streckenweise mit den Zuständen in der Metro von Tokio mithalten, und daß man nun beim Überqueren einer jeden Straße wieder größstädtische Obacht walten lassen muß, das wird sich auch noch geben. Aber immerhin sind die Schüler hin und weg, schlägt der Renke im Klassenzimmer auf, man kriegt sie nämlich immer mit dem deutschen Dialekt im Schwedischen, den ich einfach nicht wegbekomme. Und da ich im Moment recht flexibel innerhalb Stockholms eingesetzt werde, kann ich diesen Vorteil auch immer wieder aufs Neue ausspielen, gnadenlos sozusagen. Jedoch kann ich auch nicht verheimlichen, daß ich am heutigen Abend tot bin, es sind eben doch viele neue Eindrücke. Nicht zu vergessen sei, daß ich ja Schwedisch in Falun gelernt habe und nun hier und da Probleme mit der Stockholmer Sicht auf die sprachlichen Angelegenheiten erfahre. Allerdings lernt der Mensch ja nie aus, ich will mich dessen nicht entziehen, und frage einfach, mit schönstem deutschen Dialekt, was denn nun eigentlich gemeint sei.

Das Wetter ist übrigens weit von dem in Deutschland entfernt. Das Wochenende in STHML zeigte sich zwar von der schönsten Seite, man konnte gar ausgedehnte Spaziergänge auf Södermalm, in der Innenstadt und in Gamla Stan unternehmen, der Tag heute allerdings läßt einen schon wieder argwöhnisch werden. Und darf man dem Wetterdienst glauben, so soll es am Wochenende endlich mal wieder schneien, was natürlich sein muß, wenn ich mit einem Mietwagen nach Falu gurke. Wenn das nicht wieder renksches Glück ist …

Tja, also so langsam wird es ernst. Ein Bein schon in STHML, ein anderes hängt immer noch in Falun. Bis zum Wochenende, und dann wird man sehen, ich werde einfach berichten.

2011/03/20 Stockholm (Tegnérlunden) - Dunkel. Aber mit Eis.
2011/03/20 Stockholm (Tegnérlunden) – Dunkel. Aber mit Eis.