[Stockholmer] Telegramm 17

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Ich warte auf den Winter, meine Schüler dagegen nicht. Außerdem jagen wir anscheinend U-Boote in den Schären vor der hiesigen Stadt. Auch wenn eigentlich keiner etwas Genaues weiß. Die bisher publizierten Bilder können alles und nichts sein, zu unscharf und verpixelt. Ein mysteriöser Mann verwirrt die lokale Presse zusätzlich. Und dennoch jagen wir im Moment alles, was schwimmen und tauchen kann. Heute nun sogar auf dem offenen Meer. Eine riesige Blase, Expertenblase, wabert in der Presse umher. Vollgestopft mit Vermutungen, unsicheren Ahnungen, fast bombensicheren Beweisen und wichtigen (Schein-)Erkenntnissen. Ich hätte gern wieder richtige Nachrichten …

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Am Wochenende wurde Hudiksvall in Norrland unsicher gemacht, bei einer ehemaligen Kollegin vom Tumba-Gymnasium. Kleine, feines Städtchen, fast wie Falun. Ruhig und am Wasser gelegen, an der Bottensee (südlicher Teil des Bottnischen Meerbusens). Viel Natur rundherum, und mit dem Zug oder Bus innerhalb von drei Stunden von Stockholm aus erreichbar. Bis zum Flughafen Arlanda sind es sogar nur zwei Stunden und dreißig. Ich war sicherlich nicht das letzte Mal in Norrland, ganz gewiß nicht …

18/10/2014 Hudiksvall hamn/Hafenspeicher - Kerzengrade?
18/10/2014 Hudiksvall hamn/Hafenspeicher – Kerzengrade?

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Ich habe dank meiner siebten Klassen im Fach Deutsch ein neues Wort auf Schwedisch gelernt: en Wi-Fi-panna, zu Deutsch auch die Wi-Fi-Stirn. Anstatt mir schonungslos die Wahrheit in Gesicht zu sagen (z.B. tiefe, lange Gräben im oberen Drittel des Gesichts), verwenden sie das Symbol des Funkstandards, um mitzuteilen, daß die Lehrerstirn altern würde. Ich solle mir aber keine Sorgen machen, sie könnten das mit ihren Stirnen auch, also ein Wi-Fi-Symbol hervorzaubern. Ich grinse immer noch tief in mich hinein.

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Die Ferien stehen vor der Tür. Am Freitag schlägt um 15 Uhr das letzte Stündlein für die Schule, zumindest in Bezug auf den Monat Oktober. Vorher allerdings steht auf dem Programm: Tanztag für die Schüler am Donnerstag, Studientag für die Lehrer am Freitag.

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Wie vor jedem Winter habe ich meine Mütze um die Ecke gebracht, diesmal zuletzt gesehen in Hudiksvall. Es kann nicht schlimmer werden.

[zusätzliche] Gratisrunde.

Der Sonntagabend hätte nach einem wundervollen Wochenende in Berlin, Kalle und Familie sei Dank, fast perfekt enden können, der Norwegian-Flug von Schönefeld nach Stockholm war das erste mal in zehn Jahren pünktlich, wir hätten sogar zehn Minuten früher landen sollen. Man sitzt also nichts ahnend in seinem Flieger, sieht die ersten Lichter beim Landeanflug vorbeirauschen, malt sich im Köpfchen schon aus, wie man mit dem letzten regulären Bus dem Nachtverkehr ein Schnippchen schlagen würde. Und eventuell doch noch 6 Stunden Schlaf bekommt, bevor man am Montag um Punkt acht Uhr wieder zum Fortbildungstag am hiesigen Arbeitsplatz eintrifft, frisch und faltenfrei.

Leider hatte ich bei meiner ganzen Träumerei während des Durchpflügens der dichten Nebelfelder in der Nähe des Flughafens die Rechnung ohne den Wirt gemacht, der in Gestalt des Scandinavian-Airlines-Fluges SK1488 (aus Oslo kommend) direkt vor uns Faxen auf der Landebahn machte …

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DY4508 im Anflug ARN (21/09/2014)

Anstatt also sanft und überpünktlich aufzusetzen, jaulen plötzlich die Motoren auf, das Rückgrat wird wieder in den Sitze gepresst, die Flugzeugnase zeigt wieder gen Himmel, das Hirn sortiert noch ein bißchen die unterschiedlichen Informationen und der Kapitän sagt erstmal gar nichts. Stockholm verschwindet, die dichten Wolken umhüllen uns wieder, die Tragflächenlichter blinken ohne Kommentar vor sich hin …

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DY4508 go-around ARN (21/09/2014)

Letzter Bus ade, Nachtverkehr ahoi! Vier volle Stunden Schlaf. Acht Stunden Fortbildung. Mit der Erkenntnis: der menschliche Körper ist nicht bügelfrei. Weil der Flug SK1488 einfach seinen Hintern nicht schnell genug von der Landebahn bekommen hat. Und wir aus verständlichen Sicherheitsgründen wieder nach oben mußten. Immerhin, so kam noch mal ein bißchen Spannung in den Tag, und wahrscheinlich ist meine Einstellung „Fliegen ist wie S-Bahnfahren“ doch nicht ganz adäquat. Oder hat man schon mal eine durchstartende S-Bahn erblickt?

[Screenshots: Courtesy of >>> Flightradar24.com]

Leckage. Hoch. Schaukelnd.

Der Sommer neigt sich dem deutlich dem Ende zu. Die Temperaturen fallen, der Himmel verliert sein Blau und in Stockholm drehen die Wespen schon durch, die Sonne zieht sich jeden Tag ein Stückchen früher zurück, die Nächte sind seit dem letzten Wochenende zeitweise wieder komplett dunkel. Da bietet es sich doch förmlich an, zwar verspätet, aber dennoch frohen Mutes, meinen Bericht über meine letzte Reise nach Föhr ins Rennen zu schicken, die ich vor gut einer Woche an einem Donnerstag antrat, nicht ahnend, was dieser Ausflug alles so zu bieten hätte. 

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