Die Zeiten ändern sich!

So ist heute schon wieder Mittwoch, es wird früher dunkel, die lieben Mitbewohner hier in Britsen werden immer wilder, meine Achte benimmt sich immer tollwütiger und mein Sprachzentrum gleicht einem leichten Trümmerhaufen.

Dabei hatte die Woche ja schon übel angefangen – am Montag entdeckte ich morgens um kurz nach halb sieben, daß die letzte Keller-Party unter dem Motto Fency-Dress wieder für Kollateralschäden sorgte, es hing eine Fensterscheibe quer in den Hauptkorridor, ich selber latschte mitten in einen Scherbenhaufen. Die eine Minute des Wunderns an gleicher Steller kostete mich den Bus in die Stadt, was wiederum dafür sorgte, daß ich nicht den richtigen Bus nach Svärdsjö bekam. Was Gott sei Dank an sich nicht schlimm ist, weil Svärdsjö von zwei Buslinien bedient wird, die im Kreis fahren, allerdings dauert es im Uhrzeigersinn wesentlich länger als hätte ich den Bus entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn geschafft, es werden nämlich mehr Dörfer mitgenommen, was dann doch 25 Minuten ausmacht. Und dies bei der Liebe, die ich dem Busfahren entgegen bringe. Der nächste Schock allerdings ließ nicht lange auf sich warten, die Achte dreht am Rad und kriegt sich zuweilen nicht mehr ein. Ich weiß nicht, was momentan mit ihnen los ist, aber meine ich, die bevorstehenden Ferien sollten schuld sein. So kann man ihnen zehnmal erklären, das Handy möge doch bitte in der Tasche verschwinden und die Mützen vom Kopf abgenommen werden, nein, es werden jetzt keine Pferdchen gemalt, ja, man soll die Aufgabe im Übungsbuch schriftlich machen, und nein, ich trinke nicht jeden Tag drei Maß. Flupp, und schon ist eine Unterrichtsstunde um. Wenn man dann noch was von Hausaufgaben erzählt, dann ist es aus mit der Contenance und der Deutschlehrer ein böser Lehrer. Richtig spannend wird es eigentlich, so wie heute, wenn vier Leute auf einen Schlag fünf Minuten zu spät kommen, und, absprachegemäß, eine Begründung auf Deutsch liefern sollen, was wir wochenlang geübt haben. Zwei zucken mit der Schulter und meinen jag kan inte (kann ich nicht), eine flunkert wenigstens und meint, ihre nicht vorhandene Uhr ginge falsch, und, Lichtblick, einer kommt auf den komplizierten Satz, daß er noch mit seinem Tutor gesprochen habe. Sanfte Wellen, die Vögel zwitschern, Weltfriede – die Gedankenwelt meinerseits zu diesem Zeitpunkt. Allerdings mußten die Vögel alsbald sterben, die Wellen wurden zu Brechern und der Friede war hinüber, als nämlich ein Schüler meinte, er müsse jetzt mit Mama telefonieren, weil sie eben anruft. Tja, da überlege ich nun, wie wir das in Zukunft handhaben, es sollen ja nicht ganze Vogelschwärme meinetwegen dahingehen. Und das waren heute einige, denn ein Bingospiel als runder Abschluß lief dahingehend gegen die Wand, daß die Damen und Herren der Achten in der siebten Klasse wohl die Zahlen nicht zur Genüge gelernt hatten. Mein Angebot, die gezogene Zahl dreimal zu wiederholen, wurde schon spätestens nach dem zweiten Male mit einem va sa du (was hast du gesagt) torpediert. Ganz unter uns: So schlimm war ich an der Schule nicht – niemals. Vorlaut, immer! Putschen, immer! Unsinn, immer! Aber wenn dann die Schulklingel läutete, brav wie ein Lamm, immer!

Naja, ich will es ihnen nicht verübeln, es war die letzte Stunde, zumindest heute, man ist überdreht und einfach alle, zumal sie vor Deutsch eine Stunde Sport hatten. Und auch meine Wenigkeit merkte, daß der Tag vorangeschritten war, ich hatte nämlich nicht wirklich Lust, Deutsch zu sprechen. Fatal, meine ich. Denn, man muß ja langsam und überdeutlich mit seiner Muttersprache hausieren gehen, immer die Gefahr an der Seite, daß einem mitgeteilt wird: Jag fattar ingenting (Ich habe gar nichts verstanden). Bevor man nun müßig fünfmal dasselbe erzählt, klick, das Ganze auf Schwedisch – so einfach ist das. Dies jedoch hat zur Folge, daß man die Zielsprache vernachlässigt, und außerdem konterkariert es gewaltig meine eigene Forderung, man möge doch bitte im Fremdsprachenunterricht verdammt nochmal auch die Fremdsprache sprechen. Und so ganz nebenbei: Wenn ich daran denke, mit welchem Bammel ich meine erste Stunde im Februar gehalten habe, immer darauf bedacht, auch ja kein Wort Schwedisch fallen zu lassen, sie könnten sich ja an der Aussprache aufhängen, dann sehe ich mich selber inzwischen doch mit leichter Verwunderung, vielleicht sogar Verwirrung, was auch damit zusammenhängen kann, daß mein Hirn hier und da völlig aussetzt. So gelang es mir am Dienstag in einer Englischstunde erneut nicht, während eines Bingospieles die Zahlen fehlerfrei auf Englisch zu präsentieren, vielmehr wurde daraus z.B. eine fiftyfyra (es sollte die 54 werden) oder eine seventysju (eine verunglückte 77). Und dehnt man das auf die Muttersprache aus, so entfiel mir heute ein R in Weißwurst, was, nun muß ich sie gerechter- und dankenswerterweise loben, die Achte aber sofort zur Kenntnis genommen hat und lautstark eine umgehende Berichtigung an der Tafel abforderte. Siehe da; so kann es gehen!

Gruselig hingegen wurde es in der Neunten, das Perfekt  von sein, werden und bleiben sowie das Perfekt starkes Verb und sog. förflyttningsverb (wir nennen es schnöde und vereinfacht Bewegungsverb) funktioniert im Moment noch ganz und gar nicht. Da haben wir geflogen und einen Brief geschriebt, gar die Eltern getrefft. Meine Abendplanung hat sich nun dahingehend geändert, daß ich nicht eine schriftliche Hausaufgabenkontrolle für morgen plane, ich werde das eher mündlich und klassenfokussiert machen – man muß ja nicht mit Gewalt für Mißerfolge sorgen. Ich denke eher, wir werden das in Form eines Kartenspieles oder ähnlichem machen, drüber nachdenken muß ich nun.

Dewegen hier der Schlußpunkt, jedoch nicht ohne zu erwähnen, daß es inzwischen zwar kalt, allerdings noch nicht weiß in Falun ist, meiner einer sich bester Gesundheit erfreut, die Stadt noch steht und >>> der Bus ohne Sitze immer noch lustig durch die Gassen fegt. Wenn das nichts ist, dann weiß ich auch nicht. Schöne Restwoche und einen Gruß aus Falun.

6 Gedanken zu „Die Zeiten ändern sich!“

  1. Also Katja, Du willst mich doch bitte nicht mit Frau Klinkott in einen Topf werfen – JAG FATTAR DET INTE!!! Zwar gebe ich ja zu, daß hier und dort die Schraube klemmt, aber so verzweifelt wie damals unsere Französischlehrerin sollte ich nicht sein. Es liegt wohl vielleicht auch daran, daß ich in meiner Klasse nicht so viel Streß habe, und mich nicht durch gewisse Erziehungsmethoden beliebt mache, wie sie bei uns vorkamen. Mir fiele z.B. niemals im Traume ein, einen Schüler dadurch in seinem Lernen zu ermuntern, daß man ihm von hinten durch die kalte Küche mitteilt, er wäre ja zu dämlich. Ach, war da auch nicht was mit Frau Lemke, und Deutsch, und Abitur, und eigentlich seien wir doch alle viel zu blöd??? Hmmmmm …. denn man tau!

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  2. :mrgreen: …haben wir denn was gelernt ?? Ich weiß nur, von meinem Französisch ist nichts mehr übrig…und da sind Frau Klinkott bestimmt auch häufig die Tränen geflossen 😉

    Nicht aufgeben…ist ja noch nicht aller Schulhalbjahr Ende… 😉

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  3. Da haben wir geflogen und einen Brief geschriebt, gar die Eltern getrefft… 😆 …ich könnt‘ mich totlachen…das ist wirklich zu süß…Deine Dokumentation darüber aber auch 😉

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  4. Ui, machen, was der Lehrer will – ganz so streng will ich es nicht angehen lassen, sonst kriege ich Ärger mit dem schwedischen System. Allerdings, danke für die Wünsche, das allerschlimmste, eben die erste Stunde, habe ich ja hinter mir, es kann nur besser werden!

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  5. Hi, ja so kann es einem gehen. Ich erinnere mich auch noch gut an meine ersten Versuche im Unterrichten und an manche fast zur Verzweiflung treibende Schüler-Verhaltensweisen. Aber irgendwann gibt es ein Wende-Erlebnis und die Schüler machen, was Lehrer will. Ich wünsche Durchhaltevermögen!

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