Der Renke, der Svärdsjö und die Schule!

Der Renke ist tillbaka, dies kann man kurz und knapp sagen. Der Svärdsjö ist wirklich ein klasse See, leider war er immer zugefroren, was der Schönheit auf Grund des sonnigen Wetters der letzten Tage keinen Abbruch tat, im Gegenteil. Und was die Schule angeht, tja, da habe ich nun so einiges zu berichten, gutes und schlechtes!

So setzte ich mich am Montag also als erwartungsfroher Student der Högskolan Dalarna in den Bus 61 Richtung Falun via Svärdsjö und Enviken, ein Rundbus sozusagen. Es war zehn nach sieben. Die Sonne ging auf, die Landschaft präsentierte sich spektakulär. Und eine Ruhe war das in dem Bus, man glaubt es kaum. Mit knapp 100 Sachen donnerte man auf der Fernstraße gen Svärdsjö. Bis dann auf einmal hinter Sveden der Bus von der Hauptstraße abbog und ab in die Pampa steuerte, und auf einmal in DanholnNorra, Danholn Skola und Danholn Södra anhielt, wohlgemerkt in der Pampa! Für ein Dorf mit vielleicht 100 Einwohnern drei Bushaltestellen. Ein Luxus. Mit Danholn hielt das Grauen Einzug – SCHULKINDER. Nun, man hat ja nichts gegen Schulkinder, ganz und gar nicht – aber bei den meinigen kann einem die tolerante Ader schon mal flöten gehen, vor allem wenn die sich einfach so und ohne Erlaubnis auf dem weiteren Weg über Karlsby und Karlsbyheden und wie die Dörfer nicht alle heißen vermehren! Der Bus schrie nach Hilfe, wurde doch an seinen elementaren Einrichtungsgegenständen schlimmes veranstaltet, die Lautstärke näherte sich dem eines Fußballspieles an. Das Schlimme: als ich endlich in Svärdsjö ankam, an der Schule, mußte ich zur Kenntnis nehmen, daß das Grauen mit mir auszog, um in die hiesige Bildungsstätte einzufallen.

Naja, an dieser Stelle sei gesagt, diese Szene wiederholte sich auch am Di und Mi, sowohl hin als auch zurück.

Die Svärdsjöskolan an sich selbst ist relativ weitläufig, hat 350 Schüler, in den Klassen 7 bis 9. Und die Ausstattung ist der Hammer. Davon kann man in Deutschland, zumindest wenn ich da das >>> Dathe-Gymnasium in Berlin zum Vergleich heranziehe, träumen. Ich selber wurde mehr als freundlich von den Lehrern aufgenommen, alle beglückwünschten mich dahingehend, daß ich mich entschieden habe ein Lehrer zu werden, meinten 0hne Unterlaß, wie toll doch mein Schwedisch wäre und fragten ununterbrochen, wie man als Deutscher auf die Idee käme nach Schweden auszuwandern, und dann auch gar noch nach Falun!?! Ich habe irgendwann nicht mehr gezählt, aber ich dürfte die Renke-Lifetime-Story wohl mehr als hundert mal erzählt haben, selbstverständlich auf Schwedisch, meiner „Verkehrssprache“ der letzten drei Tage.

Davon abgesehen wurde am Di noch ein „Ausflug“ mit der Skolförvaltning im Skoldistrikt Svärdsjö unternommen. So steuerten wir alle Schulen, dreizehn sind es, an, man wurde zum Lunch eingeladen, blätterte sich durch Lehrpläne durch, und freilich machte man andauernd Fika. Und auch hier an jeder Schule – my story. So ist es.

Und nach jedem der drei Tage kam ich wieder in Falun an und wußte nicht so recht, wo mir eigentlich der Kopf stand – ob nun oben oder unten, links oder recht, oder eben gar nicht. Eines allerdings kann ich schon an dieser Stelle feststellen: es wird nicht leicht ein Lehrer hier in Schweden zu werden, zumindest nicht dann, wenn man die deutsche Schule als Lebensbildungsgeber genossen hat. Und nun sitze ich hier und reflektiere und verarbeite und denke nach, freilich will ich einmal kurz und knapp meine Gedankengänge und Eindrücke mit der Leserschaft teilen:

Besonders positiv am schwed. Schulsystem/an der Svärdsjöskolan sind mir aufgefallen:

  • jeder Schüler kriegt ein kostenloses Mittagessen (am Gymnasium teilweise allerdings nicht mehr)
  • die meisten Schulen haben eine Bibliothek
  • die Schulen sind technisch üppig ausgestattet (ausreichend für die Schuler zugängliche PCs mit Breitbandanschluß, Polyluxe, Wiedergabegeräte usw.)
  • es gibt Sonderpädagogen, Schülerassistenten (für Schüler mit besonderen Bedürfnissen), Schulkrankenschwester, fritids-Pädagogen
  • großzügige Austattung der Schulen mit Werkstätten (Metallverarbeitung, Textilverarbeitung, Holzverarbeitung usw.)
  • der Schulbus ist kostenlos
  • Lehrmaterialien sind kostenlos, teilweise werden sogar Schreibutensilien zur Verfügung gestellt
  • die Schulen haben ihr eigenes Budget
  • eingebetteter Förderunterricht

Negativ hingegen ist mir aufgefallen:

  • es gibt bis zur Klassenstufe acht keine Noten
  • es gibt jeweils nur zum Ende eines Schulhalbjahres eine Gesamtnote, also keine Noten im regulären Unterricht
  • Sprachunterricht wird inkonsequent betrieben (man muß nicht in der Zielsprache als Schüler sprechen – passive Teilnahme am Sprachunterricht)
  • es gibt keine konkreten Lehrpläne wie in Deutschland (bezgl. dahingehend, was ein Schüler z.B. am Ende eines 5. Jahres Sprachunterricht Deutsch alles können muß – Frage nach Benotung???)
  • der Lehrer ist in Schweden mehr ein Freund als ein Lehrer (keine Autorität und keine Möglichkeiten um Druck zu erzeugen – eine bewußt nicht gemachte Hausaufgabe zieht keinerlei Konsequenzen nach sich) – darunter leidet i.Ü. unheimlich die Disziplin
  • zu wenig Eigenverantwortung der Schüler
  • der antiautoritäre/humanistische Ansatz in Schweden ist nach meiner Meinung grandios gescheitert

Das sind so die Sachen, die mir in den ersten drei Tagen aufgefallen sind. Und ich merke, daß es schwer werden wird, mich als Deutscher anzupassen. An das „alles dreht sich um den Schüler“ – und der Lehrer hat nichts zu sagen. Na, dies sind ja nun auch erstmal die ersten Gedankengänge, allerdings habe ich schon mein Thema für meine abschließende Examensarbeit: Vergleich des schwed. und dt. Schulsystemes auf eklatante Gemeinsamkeiten und Unterschiede und die daraus folgenden Konsequenzen.

Ich bin nun außerordentlich auf die Gedanken meiner Studentenkollegen gespannt, in einem morgen stattfindenen Seminar wird wohl ein reger Meinungsaustausch geschehen. Mein nächster Einsatz an der Svärdsjöskolan ist dann auch schon gar nicht mehr soweit weg, am 17/3 setze ich mich wieder in den Bus gen Svärdsjö, und werde dann auch schon selber ein paar Blöcke des Unterrichts zumindest in Deutsch gestalten – zum Thema Ostern. Wat für ein Thema.

Interessant aber waren die drei Tage allemal, auch wenn etwas förvirrande. Ich stand oft völlig fassungslos neben meiner betreuenden Lehrerin und war kurzerhand drauf und dran aus dem Fenster zu springen. Ein Beispiel sei, daß man eigentlich eine Hausaufgabe zur Deklination der Possesivpronomina im Nominativ, Akkusativ und Dativ machen sollte, auf der ein schriftlicher Test aufbaute. Die Hausaufgaben wurden nicht gemacht, die Testergebnisse eine einzigartige Katastrophe. Die Entschuldigung der Schüler: da am selbigen Tag eine Englischprüfung anstünde, habe man Deutsch einfach mal nicht gemacht. Und was ist das Ende vom Lied – die Schüler nehmen den fatalen Test mit den richtigen Lösungen nach Hause, gucken sich das alles noch mal an, und dann wird der Test am kommenden Mo wiederholt. Ich selber glaube nicht daran, daß er besser ausfallen sollte, und ehrlich gesagt hätte ich als Lehrer auch kein Deut Verständnis für so viel Faulheit aufgebracht (es sind keine Anfänger mehr, und hätte man sich die Pronomina zehn Minuten angeguckt, man hätte die Hälfte des Tests ausreichend meistern können). ABER, und vielleicht erschließt sich hier nun dem Leser, warum es fatal ist, daß keine Noten gegeben werden, weder für eine fehlende Hausaufgabe noch für einen daraufhin vermurkelten Test gibt es spürbare Konsequenzen für den Schüler. Woher soll der also wissen und verstehen, wo er eigentlich steht? Und wie als Lehrer soll ich denn nun einschätzen können, ob der Schüler nur faul ist und eigentlich die ihm gestellten Aufgaben beherrschen kann oder ob er nicht kann oder will? Wie soll ich da Leistung einschätzen? Wissen?

Fragen über Fragen, es wird eine lustige Diskussion morgen. Man sieht, dem Renke geht eine Menge durch den Kopf, wie eigentlich generell die letzten Tage, allerdings alles auf Schwedisch, was dann das totale Ende am Ende des Tages bedeutete, nicht wahr!?!

Nun werde ich mal in die Hochschule stapfen, bei herrlichem Sonnenschein, ein paar Gedanken über Bord werfen und mich einfach freuen, daß nun langsam aber sicher mein Ziel zu sehen ist, da es ja nun konkret wird, so alles, so langsam – der Renke ein Lehrer. Ein guter hoffentlich.

In diesem Sinne, bis später, und abschließend noch ein zwei Bilder aus Svärdsjö. Und der Hinweis: es ist stürmisch hier.

2008/02/11 Svärdsjö
Svärdsjöskolan

2008/02/11 Svärdsjö
Svärdsjöskolan, Bushaltestelle: ICH WILL NACH HAUSE :- )

2008/02/11 Svärdsjö
Svärdsjö Ort: Isset nich schön???

2008/02/11 Svärdsjö
Svärdsjö Ort: Wer will da noch in die Schule???

Schreibe einen Kommentar