(fast) alles schön!

Wahnsinn, der Frühling ist nun mit Macht hier aufgeschlagen, die Eis- und Schneeberge an den Straßen rennen, nun gut, schwimmen, davon, die Vöglein werden rabiater im Benehmen (es steht wohl die Balz bevor), hier und da kämpfen sich die ersten Blümchen durch den roten Kies (der hier en masse überall herumliegt und fließt), meine Pflanzen im Zimmer schlagen aus und die Sonne scheint vom Himmel. Man kann also nicht meckern hier in Falun, wenn es da nicht gewisse Vorbehalte gäbe, die sich durch externe Einflüsse ergeben, soll meinen, sie entziehen sich meiner Verantwortung, gar meiner Macht (das allerdings finde ich bedauerlich).

So haben einerseits die – ich überlege nun genau die Formulierung – leicht durch die Frühlingssonne geschädigten Studenten, unhöflich formulierte man das sicher als die Banausen und Durchgeknallten, hier in Britsen sämtliche Schilder an den Korridoreingängen abgeschraubt, als kleinen Aprilscherz freilich (die Kreativität der heutigen Austauschstudentenjugend liegt jenseits von null und Gut und Böse), was direkt zur Folge hatte, daß unsere Hausmeisterin darum bittet, sie mögen doch wieder angeschraubt werden, wenn denn die Berauschten (es kann nur im Zustand „under influence“ geschehen sein, wer bitte sonst kommt bei Kaffee und Kuchen auf einen solchen pubertären Kram) noch die Schrauben hätten. Sollte dem bis morgen nicht Folge geleistet worden sein, dann wird wohl etwas (dies wurde bisher nicht definiert) passieren – wahrscheinlich, was auch immer dieses ETWAS sein wird, ergibt sich dann wieder Sippenhaft, und indirekt leidet die Mehrheit unter dem Unsinn einer kleinen (beschränkten) Minderheit. TACKAR!

Dann ergab es sich, vielleicht erwähnte ich das schon, wenn nicht, dann hier als Neuigkeit, daß der Küchendienst für diese Woche (die ja nun fast schon rum ist), einfach mal nicht da ist. Und dementsprechend sieht die Küche aus. Abfall in alle Ecken verstreut kann natürlich als Kunst gesehen werden, vielleicht auch als Botschaft, eine Art Protest, mir aber zieht es die Zehen weg, wenn ich morgens in diesen Schweinestall komme. Da hilft es auch nicht, wenn man hier und da freiwillig eine Mülltüte rausbringt, man kämpft gegen Windmühlen.

Darüber hinaus, und nun verlassen wird das Studentenwohnheim, kämpft Schweden im Moment mit Glas. Irgend jemand, die Polizei tappt im Dunkeln, versteckt Glasstücke in Hähnchen, es betrifft sowohl gefrorene als auch frische. Das zwang immerhin schone eine Firma dazu, ihr gesamtes Sortiment zurück zu ziehen. Damit aber nicht genug, nach dem Hühnchen ist nun meine geliebte Falukorv dran, in dieser hat man erstmals gestern Glasstückchen gefunden, auch wenn nicht in Falun, sondern weiter unten in Zentralschweden. Wie die schwedischen Medien mitteilen, haben weder die Polizei noch die Säkerhetspolisen (eine Mischung aus Bundespolizei und Nachrichtendienst, flachs erklärt) bisher Anhaltspunkte dafür, wer oder was für diese gefährlichen Zusätze verantwortlich ist. Wer des Schwedischen mächtig ist, kann das gern >>> hier nachlesen.

Und ob all dies nicht reichte, komme ich selber mit meinem Aufsatz in Soziolinguistik überhaupt nicht voran. Ich weiß derzeit nicht, ob ich einfach nur eine Blockade im Stübchen oben habe und deswegen den Wald nicht mehr vom Wald unterscheiden kann, besser formuliert natürlich: ich sehen den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr, oder ob mein Thema einfach nicht richtig in die Struktur des vorangegangenen Kurses paßt. Ich quäle mich immer noch bei der Einleitung, Methodik und dem Ziel herum, über den theoretischen Hintergrund sprechen wir erst gar nicht. Vielleicht sollte ich gerade deswegen morgen einfach im Flieger mal was ganz anderes machen, wenn ich dann die Vorlesung zwischen zehn und zwölf überlebt, den Zug nach Borlänge bekommen und den Anschluß nach Stockholm im selbigen (also Borlänge) geschafft habe, denn eigentlich wollte ich zumindest ein Linguistikbuch mitschleppen (ein kleines leichtes: Victoria A. Fromkin et al.: Linguistics, An Introduction to Linguistic Theory. 747 Seiten) und nach dem Take-off studieren, aber vielleicht wäre es doch besser, um da oben mal zu entlüften, also im Stübchen, raus zu gucken. Einfach mal die Wolken zählen, eventuell irgendwelche Flieger ausmachen, dem Triebwerk bei einem möglichen Abfackeln zusehen, dem Nachbarn auf die Nerven gehen … irgendwas sinnloses sozusagen, eben was ganz anderes, was erfrischendes. Aber ich im Moment bin ich zu verwirrt, um eine abschließende Entscheidung herbeiführen zu können.

So schließe ich diesen Eintrag mit der Erkenntnis über die Unkenntnis und wünsche an dieser Stelle allen Lesern schon mal ein schönes Wochenende (für alle, die frei haben) bzw. ein erfolgreiches und nicht ganz so stressiges (für diejenigen, die arbeiten müssen). Es wäre ja doch arg kontraproduktiv und schon fast spöttisch, wünschte man einem am Wochenende arbeitenden Menschen ein schönes. Mich erinnert das in seiner Wirkung immer an einen Spruch eines Mitglieds meiner Familie, wenn es dann darum geht, daß ich wieder fliege. Oma sagt freilich immer: Renke, ich wünsche Dir einen guten Flug. Im Gegensatz dazu gibt es ein Mitglied, was dann unumwunden meint: Renke, viel Glück!

Ich werde es versuchen.

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