Schnee an, Schnee aus
resp.
[Stockholmer] Telegramm 19

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Der Winter ist in den nördlichen Gefilden völlig aus dem Ruder gelaufen. Hatten wir direkt nach meiner Ankunft aus Mexiko fast frühlingshafte Temperaturen, wurde es in der Mitte des Januars richtig kalt, bedauerlicherweise ohne Schnee. Dies änderte sich Anfang Februar schlagartig, ein Schneesturm jagte den nächsten und hinterließ endlich Berge von Schnee; mit der einen oder anderen Nebenwirkung. So brach der Stockholmer Nahverkehr wieder zusammen, oh Wunder, eine Schneeflocke knallte auf den Boden. Und seit dem pendeln wir zwischen schneefreundlichen und schneefeindlichen Celsiusgraden. Entweder kämpft man sich durch Schneeberge über den Fußgängerweg oder man watet wortwörtlich durch den Zebrastreifen, da die ganze weiße Pracht nur mit Unterbrechungen zu bleiben wünscht. Und nun? Mitten im tiefsten Winter sendet die Sonne ihren Todesstoß gen Boden, vier Grad über null, Helligkeit. Frühling?

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Ich mußte Anfang der Woche in einen neuen Teil der Schule in Märsta umziehen. Um dann festzustellen: kein Internet. Irgendeiner in der Kommune hatte sich vor der Renovierung dieses Schulteils dafür entschieden, das Internetkabel zu kappen. Was an sich ja eigentlich keine große Affäre wäre, allerdings sind wir eine sog. En-till-en-skola. Und das meint eigentlich nur, daß alle Schüler einen tragbaren Computer haben und die Lehrer die neue Informationstechnologie in den Unterricht einbauen sollen. „Treudoof“ habe ich meinen Unterricht für die nächsten Wochen auf diese Art und Weise geplant, berechneter Wiederanschluß an das Internet: vielleicht im August. Könnte aber auch Oktober werden. Adieu, geliebte Unterrichtsplanung, und zurück zu den Büchern. Zu dieser Situation fiel mir natürlich gleich ein passender Vergleich ein: Als würde ein Pilot während des Startlaufes auf der Landebahn kurz vor dem Abheben die Motoren abstellen …

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Ich haben den letzten Ausflug Ende Januar/Anfang Februar gen Berlin für kreative Unterstützung genutzt, meine Schwester traut sich nun endlich mit ihrem Talent auch in das weltweite Netz. Zeit wurde es, und nun darf man kräftig die Daumen drücken. Eine kleine Probe gefällig?

© www.venb.de
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Mehr davon auf ihrer Webseite >>> VenB.de

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Die Winterferien rücken in greifbare Nähe … Durchhalten!

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Ich will auf die Ö!

Abschluss (Telegramm)

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Das Schuljahr ist abgeschlossen, die Noten waren schon vorige Woche fertig und die Schüler drehten genauso durch wie die werten Lehrer. Es herrschte Panik, Chaos und Verzweifelung ob der letzten Tage, die da noch kommen würden. Allerdings habe ich das Durcheinander umschifft – es gab bei mir in den letzten Stunden einfach deutsche Weihnachtsmusik (das Singen habe ich allerdings verwehrt), Dominosteine und Stollen. Für die Zukunft: keine Dominosteine mehr – die kommen einfach nicht an. Und natürlich wurden die Schüler in solch beschwingten Momenten, bei Kerzenschein und Schunkelmusik, neugierig. Ob ich denn bei Air-Berlin arbeiten würde (ein Foto eines Air-Berlin-Winglet schmückt meine Handytasche und mein Desktop-Hintergrund auf dem Laptop zeigt stolz eine Boeing 737-800 der Air-Berlin), warum ich keine Kinder hätte (mit 35 wäre es schließlich Zeit), ob sie die Schlimmsten wären (weil ich immer so streng mit ihnen wäre), ob ich denn überhaupt noch Lust auf Schule verspürte (andere Kollegen meinten wohl zu ihnen, sie seien es müde, bei ihnen zu unterrichten)?

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Ich habe das erste Mal in meinem Leben ein Pfefferkuchenhaus gebaut – unfreiwillig. Denn ich wurde in den letzten Tagen als Vertretungslehrer in Hauswirstschaftskunde eingesetzt. Ich bin baß erstaunt, daß unsere Küchen nicht abgebrannt sind … Denn wer hört schon auf den Lehrer, der von wenig Hitze beim Schmelzen des Zuckers in den Pfanne spricht! Das Stichwort Abwaschen erfährt in diesem Zusammenhang ganz neue Dimensionen.

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Stockholm hatte in diesem Winter bisher erst EINMAL Schnee. Es ist weiterhin verwirrend, soweit nördlich zu wohnen und trotzdem im Dezember den Trieben an den Bäumen beim Sprießen zugucken zu müssen.

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Aus Sicherheitsgründen habe ich meine Badehose nach Berlin mitgenommen. Die kann ich dann am Heiligabend bei 10°C plus vor dem Tannenbaume zur Schau stellen. Eventuell werde ich auch ein Liedchen anstimmen.

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Neujahr wird in weiter Ferne verbracht, so ganz in Ruhe und ohne großes Spektaktel.

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Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch ins neue Jahr sei gewünscht!
Wie immer: Im neuen Jahr wird alles viel schöner, bunter und besser!

[Stockholmer] Telegramm 18

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Gott sei Dank, wir jagen wieder U-Boote. Försvarsmakten, auf Deutsch die Schwedischen Streitkäfte, haben nun neue Bilder vorgelegt, die beweisen sollen, daß jüngst schwedische Hoheitsgewässer durch ein fremdes Unterseeboot verletzt wurden. Wir erinnern uns: großes Spektakel in den Stockholmer Schären, selbst die deutsche Presse kam nicht umhin, darüber >>> zu berichten. Nun wurde also ein >>> Bild präsentiert, welches unumstößlich beweisen soll, daß es ein solches U-Boot gab. Da es sich um ein Sonarbild handelt, ist der Interpretationsspielraum natürlich gewaltig, ich selbst würde eher von einem Wurm denn von einem U-Boot ausgehen. Vielleicht ist es auch eine abgesoffene Gummibanane, auf der man im Sommer, angehängt an ein motorisiertes Wasserfahrzeug, gern für 20 € Euro in Kühlungsborn über die Ostsee rauscht. Und wie schon im November: es war ein U-Boot, aber mehr weiß man nicht. Nicht, woher es kam, was es wollte, wohin es fuhr. Es fährt ein U-Boot nach nirgendwo. Ach, Weihnachten kann kommen! Mit einem russischem U-Boot unter dem Tannenbaume! Ein ganz großes, mit vielen Raketen! Sonst nimmt die Geschichte wohl nie ein vernünftiges Ende …

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Winter, oh Winter! Ein Elend ist’s mit Dir! Die in Berlin teuer erstandene Winterjacke kann wohl auf den Scheiterhaufen.

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Meine Schüler zählen schon die Tage bis zu den Weihnachtsferien. Ob die Lehrer dies aucht täten, fragten sie mich. Ich habe nicht geantwortet, sondern darauf hingewiesen, daß nur eindreißig Tage zur Verfügung stünden, um den Dativ halbwegs zu verarbeiten.

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Ich bin für ein Verbot von Mobiltelefonen in öffentlichen Verkehrsmitteln. Um 18.30 Uhr möchte ich nach zehneinhalb Stunden in der Schule einfach nicht wissen, ob Madame ihre Schuhe vom Schuster holt oder Monsieur abends seinen Schlüpfer in die Waschmaschine stecken möchte. Ich möchte einfach Feierabend haben.

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Der >>> Julbord-Wahn hat begonnen.