[unzweifelhaft] äußerst häßlich!

2011/06/18 Stockholm Kaknästornet. Arme Architektur.
2011/06/18 Stockholm Kaknästornet. Arme Architektur.

Wie man ja weiß, hat jede Stadt auf dieser Welt irgendeinen Schandfleck, den sie nicht gerne zeigt, schon gar nicht Touristen, und in diesem Fall wäre das der Stockholmer Fernsehturm, auch >>> Kaknästornet gennant. Ich hatte nun die Ehre, am letzten Samstag auf diesen Betonspargel hinaufzufahren, ganz umsonst und für die Bildung. Es war nämlich ein weiteres Training für meinen Sommerberuf als Touristenführer in Stockholm, ich soll morgen nämlich Passagiere der MS Deutschland, besser bekannt als das >>> Traumschiff aus der gleichnamigen ZDF-Serie, auf dieses Wunderwerk der modernen Technik entführen, damit diese bei einer durchaus beneidenswerten Aussicht einen Cocktail schlürfen können. Mir wird selbiger selbstverständlich versagt, ich soll ihnen danach ja noch die Altstadt und Drottningholm zeigen, auch wenn man nun darüber diskutieren könnten, ob mir Drottningholm nicht nach einem Cocktail leichter von der Zunge gehen sollte …

2011/06/18 Stockholm Kaknästornet. Nahe dran.
2011/06/18 Stockholm Kaknästornet. Nahe dran.

Nun denn, noch spannender war die danach durchgeführte Bootstour durch Stockholm, auf diesem >>> Bötchen. Natürlich auch völlig für lau, gehört ja alles zum Training dazu. Bedauerlicherweise hatten wir recht stürmischen Wind, was sich vor allem auf der Ostsee durch Schunkeln bemerkbar gemacht hat, ich wundere mich, wie ich morgen das doch recht drastische Anklopfen meines Magens bei der letzten Tour verhindern werde, allerdings gehe ich davon aus, daß ich so mit meinen Touristen beschäftigt sein werde, daß es mir letztendlich wurscht ist.

So ein richtig dufter Abschluß war dann am Samstag eine klitzekleine Kneipentour mit ein paar Guidekollegen mit anschließendem Rave im Wald. Hui, eine illegale Technoveranstaltung, so ganz ohne Klo, aber mit viel Musik und langem Tanzen unter freiem Himmel. Dunkel war es ja nicht, wir haben im Moment helle Nächte in Stockholm. Und der mehrstündige Sonnenaufgang hat dem Ganzen natürlich eine besondere Atmosphäre verliehen.

2011/06/19 Stockholm Lilla Skuggan.
2011/06/19 Stockholm Lilla Skuggan. Wer tanz nicht gern unter diesem Himmel?

Und siehe da, der Renke hält noch durch, morgens um sieben am Sonntag war man dann irgendwann zu Hause. Der Sonntag war natürlich gelaufen, und der Montag und heutige Dienstag wurden wieder für unterschiedliche Serviceaufträge innerhalb der Touristikbranche angewandt. Gestern meine Lieblingstour, Stockholm per Bus entdecken und Besuch des Vasa-Museums, heute dann Transfer-Dienste vom Kreuzfahrtschiff nach Arlanda Flugplatz und retour – übrigens ein sehr verwunderliches Gefühl beruflich auf Arlanda zu sein. Wobei mich heute mal wieder der Kulturschock eingeholt hat, ich hatte ein amerikanisches Paar, das keinerlei Flugunterlagen an der Hand hatte … sie wurden leicht hysterisch. Aber es wäre ja gelacht, wenn ein Vielflieger wie ich das nicht hätte lösen können, die Fluggesellschaft des Paares, die SAS, hat nach einem kurzen Gespräch einfach nach den Namen im System gesucht, die Buchungsnummer rausgerückt und ich konnte dann den beiden beim Automaten-Check-In so zur Hand gehen, so daß alles nach Plan verlief, sie sollten inzwischen auf dem Weg nach Chicago sein. Tja, die haben sich auf die Aussagen des Reiseveranstalters verlassen, daß man in Europa einfach nur den Paß vorzeigen müßte, in diesem Falle allerdings wollte man auch die Buchungsnummer wissen, und die war eben nicht zur Stelle.

Jo, ick liebe dit allet, wenn ich das mal so ausdrücken darf, jeden Tag was neues. Fehlt nur noch, daß meine Bootstour morgen im Wasser endet …

(auf die Woche) zurückgeschaut.

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Jeden Tag Regen. Heute sind es karibische 13°C. Der Midsommar soll nicht wärmer werden. Ich habe mir den schwedischen Sommer in der Hauptstadt anders vorgestellt. Was soll ich nur meinen Touristen am kommenden Montag sagen? Runter vom Kreuzfahrtschiff in den Winter?

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Jeden Tag auf dem Gleis. Pendeln wird ein Hochleistungssport von mir. Funktionierte nur teilweise. Es gibt jeden Tag einen geheimen Ort, an dem irgendwo der Strom ausfällt oder ein Signal über den Jordan geht. Stockholm hat seine Massentransportmittel noch nicht so recht im Griff.

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Dem Shoppingwahn verfallen [mir wurde schwindelig]. Ein Elchkissen gekauft, ganz wie ein Tourist. Das wird nach Berlin verfrachtet. Außerdem, es wurde Zeit, will man auf Södermalm die Millenniumtour mit seinen Touristen machen, wurden Bücher gekauft: Stieg Larssons „Millennium Triologie“ auf Schwedisch; „Män som hatar kvinnor“, „Flickan som lekte med elden“ und „Luftslottet som sprängdes“. Wunderte sich dabei, daß die deutsche Übersetzung der Titel irgendwie rein gar nichts mit den Originaltiteln zu tun hat („Verblendung“, „Verdammnis“, „Vergebung“). Was soll man machen?

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Jeden Tag auf Gamla Stan gewesen. Beruflich zum Zeigen und Staunen, privat um zu quatschen und zu süffeln, in Maßen natürlich. Immer wieder schön, also das Quatschen und Süffeln, das Zeigen eher Routine und gewohnt.

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Die Pest der Lüfte wiedergetroffen. So nah nur am Mittwoch auf Södermalm, am Södra Teatern (Freiluftbar), beim Biere mit Freunden. Der Regen gab dem Bösen einen Vorteil, wir mußten unter einen Baum. Später im Sjögräs (Seegras) weitergemacht. Ein fantastischer Abend!

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Außerdem erlebt:
Ein langes und tolles Skypegespräch mit Budapest geführt. Jordgubbstårta mit Schülern gebastelt. Irgendwie macht man die Erdbeertorte anders in Schweden. Sei es drum. Zu wenig geschlafen, zu wenig gegessen. Kommt vor.

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Nächste Woche:
In der Stadt, zum Zeigen. Umziehen ganz am Ende. Mittendrin Flughafen Arlanda, Empfangnahme neuer amerikanischer Gäste. Vorbereitung Berlin-Reise. Eventuell Kanalfahrt mit Touristen auf einem Bötchen, wird schunkeln.

Frohes Schaffen und schönes Wochenende!

Fragenkatalog.

2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Faul treibend.
2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Faul treibend.

Manchmal, nein – eigentlich immer, fragt man sich meinerseits vor einer Tour mit den Touristen, was wohl wieder alles schiefgehen könnte. Da hätte man Stau in Stockholm, Touristen die auf die Toilette möchten, Fragen, die ein Renke beim besten Willen nicht beantworten kann, ein ortsunkundiger Busfahrer und Kollegen, die einem die nächste Attraktion in der Altstadt streitig machen wollen. Ganz übel wird es natürlich, wenn die königliche Familie auf Schloß Drottningholm mal wieder entschieden hat, sie bräuchte Teile der öffentlich zugänglichen Etagen für sich selbst, dann bricht bei mir Panik aus, muß man doch Alternativen finden, um die veranschlagte Stunde in Drottningholm ausfüllen zu können – wobei man schon mal zehn Minuten für die obligatorische Toilettenpause am Anfang der Führung streichen kann. Und wenn ich dann fertig überlegt habe, so wie gestern, und mich selbst wieder auf ein halbwegs ansprechbares Niveau herunter geschraubt habe, dann wünschte ich mir meistens, meine Touristen wären wie Enten, die faul auf dem Wasser umherschwimmen und keinerlei Interesse für die Umwelt zeigen. Schlafen, das Köpfchen hier und da ins Wasser getunkt. Ruhe.

Und eigentlich lief Drottningholm gestern spitzenmäßig. Die Geschichte mit Schwung und Humor genommen, sprachliche Fehler meinerseits wurden von meiner Gruppe wohlwollend verziehen (Hedvig Eleonora, Ulrika Eleonora und Ulrika Lovisa, nach 10 mal Aufsagen dieser Namen war Eleonora für meine Zunge ein akutes Hindernis). Der große Kracher für einen Touristenführer blieb aus. Tja, bis man den barocken Schloßgarten entdeckte. Der links und rechts von einer Allee umsäumt ist. Und auf der rechten Allee steht nun, warum auch immer, eine alte Eiche, die einzige weit und breit, die zur Hälfte gekappt wurde und eigentlich recht ungesund aussieht. An dieser Eiche entzündete sich nun eine rege Diskussion, und mein Nichtwissen um diese Eiche sorgte für Gruppendynamik. Also meine Theorie war ja, daß diese ein Überbleibsel des Englischen Gartens wäre, der sichts direkt an den barocken Garten anschließt. Und vermutlich wäre die Allee ja sicher erst gebaut worden, als Drottningholm 1991 die erste schwedische Weltkulturerbestätte wurde, der Übergang vom barocken Garten zum Englischen Garten war früher fließend. Nun gut, dies wurde so nicht angenommen, und ich versprach, mich um Aufklärung zu bemühen. Ein Landschaftsgärtner, der frank und frei in der Anlage humherhopste, wurde in Beschlag genommen. Der allerdings war sich seiner Sache auch nicht sicher. Ebenso wenig das Schloßpersonal, das natürlich von mir ausgefragt wurde. Sehr schön, nun habe ich eine Hausaufgabe und meine Touristen sind zurück auf ihrem Schiff und wissen nicht, auf ihrem Weg nach Tallin, warum die Eiche in Drottningholm zwischen dem barocken und Englischen Garten da steht, wo sie steht. Da wirkt es natürlich fast angenehm, daß die Frage, ob man in Gamla Stan (Altstadt) Zeit hätte, eine Postkarte zu kaufen, mit einem klaren Nein beantwortet werden konnte.

Und siehe da, es gibt einfach Gegebenheiten zwischen Himmel und Erde, die selbst einem Touristenführer verschlossen bleiben … auch wenn der gemeine Tourist dies nicht akzeptieren mag.

Auf der anderen Seite, nun muß ich meine deutsche Gruppe von gestern wirklich verteidigen, herrscht Disziplin beim kollektiven Sehenswürdigkeitenanschauen. Meine Kollegin, die eine englischsprachrige Gruppe hatte, es waren Inder, und mit der ich den Bus teilte, verlor die halbe Gruppe auf Drottningholm und später in der Altstadt, weil man einfach die Zeiten nicht einhielt und sich andauernd von der Gruppe entfernte, ich sammelte zum Schluß zehn ihrer Touristen beim Schlendern mit meinen durch Gamla Stan wieder ein. Das ist mir mit den Deutschen noch nicht passiert. Und, auch wenn die Eiche nun immer noch unbeantwortet in Drottningholm steht, gelungen muß meine Tour gewesen sein, ein ordentliches Trinkgeld stellte sich am Ende am Schiff in meiner Tasche ein, meine arme Kollegin erhielt, immerhin eigentlich, nur feste Umarmungen.

Und bis dann also nächte Woche der Fragenkatalog sicherlich wieder eine Erweiterung findet, wird hier einfach mal das Wort FAUL ganz groß geschrieben.

PS. Es gibt natürlich Standardfragen:
Wann sind Sie hergezogen? Ach, vor sechs Jahren? Und wollen Sie zurück nach Deutschland? Nicht? Oh, das muß wohl die große Liebe sein, ein blondes Mädchen sicherlich [leichtes Gegacker]? Wirklich nicht? Interessant, Sie lieben den schwedischen Winter so? …

[endlich] Wasser.

2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Rinnt.
2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Rinnt.

2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Einen Tropfen daneben.
2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Einen Tropfen daneben.

2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Nachdenkkulisse.
2011/06/08 Stockholm – Waldemarsudde. Nachdenkkulisse.

Kurze Erklärung:
Wir hatten hier heute 27°C (und dies in Skandinavien), jeweils mit blauem Himmel und kurzen Regenschauern, keine Gewitter. Dadurch war die Luftfeuchtigkeit bei 100 % + Xx
. Allein das bloße Sitzen während meiner vier Unterrichtsstunden hat Wasser gekostet, mein Hirn den ganzen Tag nur noch an den Ausgleich des Wasserhaushaltes dachte und sich immer wieder der Vorstellung hingab, ans Wasser zu müssen. [Wann kommen endlich die Gewitter?]